Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut
den Klingelknopf neben dem Namen Halby drückte.
Der automatische Türöffner summte, sie trat ins Treppenhaus. Bei den Halbys war also schon jemand zu Hause. Oder immer noch: Im zweiten Stock stand ein Mann in der geöffneten Wohnungstür und band sich gerade die Krawatte. Er trug eine hellgraue Anzughose und ein hellblaues Hemd ohne Jackett. Seine Augen blickten misstrauisch aus einem runden, leicht geröteten Gesicht, das von einem sorgfältig gestutzten Vollbart eingerahmt wurde. »Sie wünschen?«, fragte er.
»Ich möchte mit Solveigh Halby sprechen. Mein Name ist Korittki von der Kripo Lübeck.«
Die Röte in seinem Gesicht vertiefte sich, als er antwortete, dass seine Frau arbeite und er auch gleich wegmüsse. »Damit ist das Thema erledigt, oder?«, fragte er mit einem falschen Lächeln.
»Keineswegs. Wo arbeitet Ihre Frau? Kann ich sie dort erreichen?«
»Sie bei der Arbeit stören?«
»Es ist wichtig. Wenn Ihre Frau gerade nicht gestört werden will, wird sie es mir schon selbst sagen.«
»Hm …« Er überlegte demonstrativ, sah dabei auf seine Armbanduhr. Ein schweres, teuer aussehendes Modell, wie es sich ihren Erfahrungen nach in Zuhälterkreisen einer gewissen Beliebtheit erfreute.
»Wenn Sie es eilig haben, sagen Sie mir am besten, wo Ihre Frau arbeitet, dann sind Sie mich schon wieder los.«
»Nichts für ungut. Ich war nur überrascht: Sie wissen ja gar nicht, wer hier alles so klingelt, wenn man tagsüber ausnahmsweise mal zu Hause ist. Darum sollte die Polizei sich kümmern …«
»Ich werde es weitergeben«, antwortete Pia ironisch.
»Meine Frau arbeitet als Bibliothekarin, aber nur Teilzeit. Kommt dementsprechend auch nicht viel bei rum. Ich bin es, der sich von montags bis samstags den Arsch aufreißt. Arbeiten Sie auch Teilzeit?«
»Ich weiß nicht, was das mit dem Aufenthaltsort Ihrer Frau zu tun hat«, sagte Pia.
Er fuhr sich nervös mit der Hand am Kragen entlang, als bekäme er nicht genug Luft, und musterte sie irritiert. Pia stellte sich vor, wie die blond behaarten Finger des Mannes auf Solveigh Halbys Wangenknochen landeten. Ihr Gesicht sah wohl nicht gerade freundlich aus bei der Vorstellung, denn Halby sagte eilig: »Es ist die Stadtbücherei in der Hundestraße, Sie wissen schon …«
»Die Lübecker Stadtbücherei, danke sehr. Ich denke, wir hören noch voneinander«, verabschiedete sich Pia. Wieso eigentlich? Sie hatte nicht vor, sich in Solveigh Halbys Angelegenheiten zu mischen, es sei denn, sie hatten etwas mit Timo Feldheims Tod zu tun.
»Warten Sie!«, hörte sie ihn hinter sich herrufen.
»Ja?«, fragte sie, schon auf halber Treppe.
Er kam ihr ein paar Stufen hinterher, blickte nun, da er oben stand und sie weiter unten, auf sie herab. »Wenn es um den Mord an diesem Mann geht, dem Mann von Solveighs Freundin …«
»Was ist dann?«
»Dann verschwenden Sie Ihre Zeit, wenn Sie Solveigh befragen. Die weiß sowieso von nichts.«
»Aber Sie? Sie wissen etwas?«
»Nur, dass man Katja Simon nicht über den Weg trauen kann. Haben Sie sich schon ihre Akte vorgenommen? Wohl nicht. Ich sagen Ihnen: Die ist so dick!« Er deutete eine imaginäre Aktenstärke von bestimmt zehn Zentimetern an.
»Und was steht da drin?«
»Das weiß ich doch nicht! Ich weiß nur, wo die Simon herkommt, und das reicht mir!« Er warf Pia noch einen Blick zu, der seine Zufriedenheit darüber ausdrückte, doch noch das letzte Wort gehabt zu haben, und stieg die Stufen wieder hoch. Pia wollte erst hinterher, doch dann überlegte sie es sich anders. Solveigh Halby würde ihr mehr erzählen können. Von diesem Mann, der gerade die Wohnungstür hinter sich zugeknallt hatte, waren im Moment nichts als Phrasen zu erwarten. Später vielleicht …
Sie fuhr in die Altstadt und parkte in der Hundestraße schräg gegenüber der Stadtbibliothek. Ihr Blick streifte die lang gestreckte Backsteinfassade, die Bauten aus dem Mittelalter, dem neunzehnten wie auch dem frühen und späten zwanzigsten Jahrhundert in sich vereinigte. Pia kannte das Gebäude gut und mochte besonders den alten Teil, wo man sich auf den verschiedenen Ebenen leicht verirren konnte. Hier also arbeitete Solveigh Halby, die langjährige Freundin Katja Simons – in Teilzeit, wie ihr Ehemann sich mokiert hatte.
Es dauerte nicht lange, da war Solveigh Halby von einer Kollegin nach vorn an den Ausgabe-Tresen geholt worden, und Pia verabredete mit ihr, sich gleich in einem nahe gelegenen Bistro im Werkhof zu treffen.
In dem Bistro
Weitere Kostenlose Bücher