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Ostseefluch

Titel: Ostseefluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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Straßenseite stand und zu ihrem Schaufenster hinübersah. Es war der Typ, der sich Aleister nannte und die Séance in ihrem Haus geleitet hatte, kein Zweifel. Draußen schien die Sonne, und im Schaufenster hingen jede Menge Kleidungsstücke. Er konnte sie also im Inneren des Ladens nicht sehen. Trotzdem hatte sie das Gefühl, er blicke ihr direkt in die Augen. Sein Gesicht zeigte grimmige Entschlossenheit. Eine Frau ging dicht an ihm vorbei, ihr Hund schnupperte an seinen Beinen, doch Aleister schien durch sie hindurchzublicken. Was wollte er hier?
    Wieder einmal dachte Irma, dass man in so einem kleinen Laden allem und jedem ausgeliefert war. Jeder Spinner konnte hereinschneien, sie volllabern, berauben, die Bude in Brand stecken oder sonst was anstellen. Und sie hatte nur ihr kleines Obstschälmesser zu ihrer Verteidigung im Hinterzimmer liegen. Arne hatte ihr mal einen Alarmknopf installieren wollen, aber das war ihr zu teuer gewesen. Der Laden warf meistens gerade genug ab, um die Miete zu bezahlen. Vielleicht sollte sie wieder auf Flohmärkte gehen, so wie früher. Da war sie wenigstens unter Menschen gewesen ... und hatte sich manches Mal nach einem eigenen kleinen Geschäft gesehnt, wo sie im Warmen saß und sich auch mal einen Tee kochen und die Füße hochlegen konnte, wenn nichts los war.
    Irma seufzte. Aleister kam langsam, ohne auf den Verkehr zu achten, auf die Ladentür zu. Ein Transporter, der vor ihm abbremsen musste, hupte. Irma beobachtete, wie er routiniert eine ruppige Geste mit der Hand zum Besten gab, und schon stand er vor der Tür. Er trat ein, die Glocke über dem Eingang schepperte.
    »Guten Tag«, sagte Irma so abweisend wie möglich. »Womit kann ich dienen?«
    »Ist das Ihr Laden?«
    »Sieht so aus.«
    Er schnupperte. »Es riecht ungut.«
    »Das ist so mit alten Sachen.«
    »Ich könnte Ihnen eine Räucherung anbieten. All diese Dinge ...« Er berührte ein schwarzes Cocktail-Kleid. »Stellen Sie sich vor, wie die Vorbesitzerin etwas darin zurückgelassen hat: Eitelkeit, Wut, Selbsthass ... Salbei oder Asafoetida, das ist arabisches Gummiblatt, würden helfen.«
    »Stecken Sie sich Ihren arabischen Gummibaum sonst wohin«, sagte Irma bissig. Gleichzeitig merkte sie, wie sie das Kleid mit anderen Augen sah. Sie spürte Widerwillen.
    »Schauen Sie: Wir stehen hier unter schlechtem Einfluss.«
    »Sie sind freiwillig hier reingekommen. Ich habe Sie nicht um Ihre Hilfe gebeten.«
    »Das denken Sie jetzt«, meinte er und genoss, wie ihr schien, die Verwirrung in ihrem Gesicht. »Aber ich fühle mich verantwortlich. Es geht um Ihre Tochter.«
    »Lassen Sie Zoe in Ruhe! Halten Sie sich von ihr fern«, sagte sie drohend. »Wenn Sie ihr dieses Amulett untergeschoben haben, Aleister, dann ...« Ja, was dann?
    »Nein. Das war Moniques Idee. Sie hat das Dunkle im Haus gespürt und sich Sorgen um das Kind gemacht. Ich fürchte aber, dass das Amulett zu schwach ist. Sie konnte es nicht bei zunehmendem Mond anfertigen, nur zur Stunde des Sonnenaufgangs. Geschadet hat es Ihrer Tochter jedenfalls nicht.«
    »Wie können Sie und Ihre verrückten Freundinnen es wagen, sich in unser Leben einzumischen? Ich werde die Polizei informieren!«
    »Die Polizei kann da, so leid es mir tut, nicht helfen. Nur Sie können Ihr Kind schützen. Und ich kann lediglich meine bescheidene Hilfe dazu anbieten.«
    »Auf Ihre bescheidene Hilfe verzichte ich!«
    Er wischte sich über die Wange, als hätte sie ihn bespuckt. »Sie müssen dieses Haus verlassen«, sagte er in verändertem Tonfall. »Das ist kein Ort für ein Kind. Nach unserer Séance hatte ich Visionen und schlimme körperliche Beschwerden.«
    Nein, Irma wollte nicht an seine sogenannte Ektoplasma-Eruption denken. Sie schüttelte abwehrend den Kopf.
    Er kam einen Schritt auf sie zu. »Solange Sie alle noch in dem Haus sind, muss zumindest eine spirituelle Reinigung der Räume durchgeführt werden. Das hält sie vielleicht noch eine Weile in Schach.«
    »Wen?«, fragte Irma und hätte sich sofort dafür ohrfeigen können. Auf diesen Mist auch noch mit Fragen einzugehen. Er musste ja denken, er habe ein leichtes Spiel mit ihr.
    »Der Geist, der sich noch in der Zwischenwelt befindet, ist ziemlich ungehalten. Er sucht aktiv Kontakt zu den Lebenden. Das ist ein schlechtes Zeichen. Und Ihre Tochter ist der schwächste Punkt in der Konstellation.«
    Irma schauderte. Sie durfte diesem Aleister nicht zeigen, dass sie Angst hatte. Er würde sich daran weiden wie eine Ziege

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