Ostseefluch
abschließen?«, fragte Manfred Rist, als sie auf dem Rückweg nach Lübeck waren. »Keine verwertbaren Spuren am Leuchtturm, und keiner der Beteiligten hat für gestern Abend zwischen achtzehn und zwanzig Uhr ein brauchbares Alibi.«
»Wer kommt denn überhaupt als Angreifer infrage?«, überlegte Pia laut. »Unsere üblichen Verdächtigen: Rudolf und Judith Ingwers. Das war ja anscheinend auch Maren Rosinskis erster Einfall. Sonst wäre sie wohl kaum nach dem Überfall direkt zu ihrem Haus gefahren. Schade, dass sie nicht geklingelt hat, um sicherzugehen!«
»Wenn alles so war, wie sie es uns geschildert hat, stand sie noch unter Schock«, meinte Rist.
»Was ist mit den Bewohnern von Mordkuhlen? Wir brauchen auch von Klaasen, Grieger und Seibel ein Alibi für gestern Abend.«
»Darum werden sich andere kümmern. Ich denke, es gibt heute Abend zu dem Thema noch eine Einsatzbesprechung.«
An der ich nicht teilnehmen kann, dachte Pia. »Wir sollten auch Christian Klarholz nicht aus den Augen verlieren«, sagte sie. »Er ist ebenfalls sowohl mit Maren Rosinski als auch mit den Bewohnern von Mordkuhlen verbunden.«
»Weil er das Haus kaufen will?«, fragte Rist.
»Er hat ein starkes finanzielles Interesse daran, das Grundstück ohne lästige Mieter in die Finger zu bekommen. Ich habe schon gedacht, dass er Milena und die anderen vielleicht nur davon überzeugen wollte, endlich auszuziehen, und ein wenig Druck ausgeübt hat. Es kam zum Streit – und da ist es passiert.«
»Da hat er der lästigen Mieterin einfach mal eins über den Schädel gezogen?« Rist klang ätzend.
»Nicht sonderlich überzeugend, ich weiß. Aber es würde auch die Angriffe auf die Rosinski erklären. Angenommen, sie hat herausgefunden, was Klarholz getan hat, und hat ihm gedroht, ihn zu verraten?«
»Wie herausgefunden?« Nun klang Rist doch interessiert.
»Hans Martinek muss nicht der Einzige gewesen sein, der einen Geländewagen zur richtigen Zeit am richtigen Ort gesehen hat«, sagte Pia. Sie überquerten wieder einmal die Fehmarnsundbrücke. Nicht daran denken. Nach vorn schauen. »Wer erbt eigentlich Mordkuhlen, wenn Maren Rosinski stirbt?«, fragte sie, als sie die Brücke hinter sich gelassen hatten.
»Noch eine ungeklärte Frage!« Rist starrte seitlich aus dem Fenster. »Was hältst du eigentlich von unserem Kammerjäger?«
»Ich fand ihn recht spannend. Ungewöhnlicher Beruf.«
»Ich habe nicht nach einer Berufsbewertung auf einer Skala von eins bis zehn gefragt, Pia.«
»Nicht? Hauke Andersen hat kein Motiv. Jedenfalls kein erkennbares. Er behauptet, Milena hätte ihn bei seinem ersten Besuch im Haus angemacht. So what? Kam er dann heimlich noch mal wieder? Und als sie nicht gehalten hat, was sie mit ihrem Verhalten seiner Meinung nach versprochen hatte, hat er sie im Gemüsebeet erschlagen?«
»Ich habe schon Unwahrscheinlicheres gehört.« Manfred Rist schien der Gedanke zu gefallen.
Sie hatten nun freie Fahrt. »Das ist wahr«, räumte Pia ein und trat das Gaspedal durch. »Und nervös war er auch.«
27. Kapitel
M aren Rosinski drückte nachdrücklich auf die Klingel am Haus der Ingwers. Ein durchdringendes Schrillen wäre angemessen gewesen. Stattdessen hörte sie durch die geschlossene Tür hindurch einen melodischen Gong. Viel zu sanft – beinahe bittend. Ihr wurde bewusst, dass sie noch nie an dieser Tür geklingelt hatte. Das Geräusch entsprach nicht der mörderischen Stimmung, in der sie sich befand. Oder besser, in die sie sich mehr und mehr hineinsteigerte.
Gestern, als die Polizei sie in einem Zustand ängstlicher Verwirrung zurückgelassen hatte, hatte sie noch ein paar Becher Tee mit Rum getrunken. Später dann den Rum ohne Tee, und irgendwann war die Flasche leer gewesen. Sie hatte es nicht mehr in ihr Bett geschafft, sondern war auf dem Sofa eingeschlafen. Alles hatte geschwankt, sie hatte sich mehrmals mit der Hand auf dem Fußboden abstützen müssen. Heute Morgen war ihr so schlecht gewesen, dass sie versucht hatte, sich zu übergeben. Zu spät. Der Alkohol war längst assimiliert. Ihr Kopf dröhnte. Und immer noch keine Nachricht von Rudolf. Sie erinnerte sich, dass sie ihm gestern mehrmals auf die Mailbox gesprochen und drei SMS geschickt hatte. Keine Reaktion.
Maren hörte Schritte, die Tür öffnete sich.
»Rudolf, du ...« Judith brach mitten im Satz ab. Ihre Miene versteinerte. Dann malte sich darauf gespielte Gleichgültigkeit mit einer Prise Verachtung ab.
»Ist Rudolf da? Es ist
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