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Ostseefluch

Titel: Ostseefluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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dringend.«
    »Er ist zur Arbeit gefahren. Wie jeden Morgen. Was willst du von ihm?«
    »Ich muss mit ihm reden.« Maren schob Judith zur Seite und betrat die dunkle Diele. Er musste doch da sein. »Rudolf!« Sie stieß die nächstbeste Tür auf und gelangte in den Wohnbereich. »Rudolf, ich bin’s: Maren.« Ein leerer, unbewohnter Raum erstreckte sich vor ihr. Peinlich sauber und aufgeräumt. Steril. Maren ging zurück in die Diele und nahm die ersten Stufen der Treppe ins Obergeschoss. »Rudolf, verdammt!«, rief sie nach oben. »Du kannst dich nicht vor mir verstecken.« Sie stolperte und fiel auf die Knie. Ihr wurde schwarz vor Augen. »Rudolf, wo bist du?« Da fühlte sie eine kühle Hand an ihrem Hals.
    »Er ist nicht hier. Du musst dich beruhigen, Maren. Soll ich einen Arzt für dich rufen?«
    Verkehrte Welt. Maren stieß Judiths Hand weg. Sie, Maren, war doch die Gesunde! Sie atmete tief durch. Verdammt, tat ihr Knie weh! »Kein Arzt«, ächzte sie. »Es geht schon.«
    Judith hielt den Kopf leicht gebeugt und sah sie reglos an. Ihre großen grüngrauen Augen erinnerten Maren an Glasmurmeln.
    Sie zog sich am Geländer hoch, bis sie wieder auf den Füßen stand. »Es ist gerade alles zu viel, oder?«
    »Komm mit in die Küche!« Judith ging ihr voraus. Sie schien über die Fliesen zu schweben, so ruhig waren ihre Bewegungen.
    Judith – die Heilige. Maren kniff die Augen zusammen. Nie wieder Alkohol, schwor sie sich.
    »Tee?«, fragte Judith.
    »Bloß nicht.« Maren ließ sich auf einen Stuhl fallen und befühlte ihr Knie. »Kaffee – stark und schwarz. Und eine Kühlkompresse, wenn du hast.«
    »Er hat deine Nachrichten abgehört«, sagte Judith. Sie hielt den Wasserkocher unter den Hahn und füllte ihn auf. »Aber er wollte sich nicht zurückmelden. Was willst du von meinem Mann?«
    Oh, Gott. Sie wusste es nicht, oder? Judith Ingwers wusste nicht, dass ihr Mann sie mit ihr betrog. Und was nun? Er hätte es ihr doch längst sagen müssen. Maren war fest davon ausgegangen, dass die beiden eine Art Arrangement getroffen hatten: Judith hatte ihre Bet- und Rudolf seine Bettgeschichte ... oder so ähnlich.
    »Ich bin Mittwochabend überfallen worden«, platzte Maren heraus. »Draußen am Staberhuk. Ich hatte Angst. Einfach nur Angst.«
    »Aber das ist doch Sache der Polizei.«
    »Die waren ja da. Später.«
    »Warum ausgerechnet Rudolf?«
    Einer muss es ihr doch sagen, dachte Maren. Rudolf war ein Feigling. Und er hatte sie im Stich gelassen, als sie ihn wirklich gebraucht hätte. »Rudolf und ich haben ein Verhältnis, Judith. Schon seit Jahren.«
    »Du lügst«, sagte die Frau und nahm die Kaffeekanne in die Hand. Ihr Gesicht war unbewegt.
    Maren beschlichen Zweifel, ob Judith Ingwers wirklich nichts von dem Verhältnis ihres Mannes wusste. Schweigend stellte Judith nun einen Porzellanfilter auf die Kanne und legte eine Filtertüte hinein. Wie altmodisch sie war! In allem. Was sie anhatte, fiel in die Kategorie »Zeitreise in die Fünfziger«. Da waren sie doch noch gar nicht geboren gewesen. Und ihre Frisur, der stramm geflochtene Zopf, den sie am Kopf festgesteckt hatte. Milena hatte als kleines Kind auch immer diese Zöpfe tragen müssen. So stramm, dass man allein beim Hinsehen Kopfschmerzen bekommen hatte. Beinahe hätte sie Milena vergessen. »Es tut mir alles sehr leid, Judith.«
    Rudolfs Frau holte zwei Becher aus dem Schrank. »Kein Zucker, keine Milch?«
    »Ganz schwarz.« Wie meine Seele.
    »Der Herr hat beschlossen, mein Kind zu sich zu holen. Ich muss lernen, damit zu leben. Ich habe es einfacher, weißt du. Rudolf hingegen leidet Höllenqualen.«
    »Du hast es einfacher, Judith?«
    Sie fixierte die Kaffeekanne, die Dose mit dem Kaffeepulver in der Hand. Judith hob langsam die Schultern und ließ sie dann wieder fallen. »So sollte es wenigstens sein. Die Bibel schenkt mir Trost.«
    »Das ist mir zu abgehoben«, sagte Maren grob. Judith schien ihr Eingeständnis schon wieder vergessen zu haben. Auch gut. Der Duft des Kaffeepulvers erfüllte den Raum.
    »Es ist noch nicht vorbei, Maren«, sagte Judith, während sie das Wasser in den Filter goss. Sie verschüttete die Hälfte und bemerkte es offenbar nicht einmal.
    Die offensichtlich verstörte Frau mit der kochenden Flüssigkeit hantieren zu sehen, während sie selbst direkt danebensaß, verursachte Maren ein unangenehm prickelndes Gefühl. »Wie meinst du das?«, fragte sie. »Noch nicht vorbei?«
    »Es ist noch da. Ich kann es spüren. In deinem

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