Ostseefluch
Haus ist es besonders stark. Etwas Böses ...«
»In meinem Haus! Jetzt spinnst du aber«, sagte Maren ärgerlich. Das ging nun doch zu weit.
»Nicht in dem Haus, in dem du wohnst. Auf Mordkuhlen. Ich hab es gespürt, als ich dort war. Es ist immer noch da.«
»Wann warst du auf Mordkuhlen?«, wollte Maren wissen.
Judith schenkte ihr von dem frisch aufgebrühten Kaffee ein. Ihr Gesicht war regungslos. »Es gibt da was, das einem wirklich Sorgen machen sollte«, sagte sie. »Einen Keks dazu?«
Nein, keinen Keks. Und auch keinen Kaffee. Sie musste weg von hier. Rudolfs Haus verlassen, Abstand zwischen sich und seine Frau bringen. Maren stand langsam auf, darauf bedacht, ihr Knie nicht zu sehr zu belasten.
»Wart ihr eigentlich beide Mittwochabend die ganze Zeit hier?«, fragte sie auf dem Weg zur Küchentür.
»Ja. Das waren wir. Wo willst du hin?«
»Nach Hause. Ich fühle mich nicht besonders gut. Entschuldige bitte, dass ich dir die Umstände mit dem Kaffee gemacht habe.«
»Oh ... Kein Problem. Ich richte Rudolf aus, dass du hier warst.«
Als sie den Raum verließ, sah Maren noch, wie Judith den Inhalt der Kaffeekanne in die Spüle goss.
Im Kommissariat 1 herrschte angespannte Stimmung. Es war so gekommen, wie Rist es prophezeit hatte: keine verwertbaren Spuren am Leuchtturm und keine brauchbaren Alibis, die einen der Bewohner von Mordkuhlen als Angreifer auf Maren Rosinski sicher ausschlossen. Seit dem Mord an Milena Ingwers war jetzt schon so viel Zeit vergangen, dass ein schneller Ermittlungserfolg immer unwahrscheinlicher wurde.
Die Zeitungen füllten das Sommerloch, indem sie den Fall immer wieder von einer neuen Seite ausleuchteten. Ein Journalist hatte nun sogar Frank Albrecht aufgespürt und ihn interviewt, was dem Mordfall durch die Nacherzählung des Fluchs noch mal eine schaurig-fantastische Note gab. Unterstes Niveau. Aber der Journalist schien ein paar ausführliche Hintergrundrecherchen betrieben zu haben.
Eine Viertelstunde später war Pia auf dem Weg in die Zeitungsredaktion. Sie glaubte nicht recht, dass ein Gespräch unter vier Augen mit dem Verfasser des Artikels etwas bringen würde. Doch sie mussten auch noch dem allergeringsten Hinweis nachgehen. Es bestand zumindest die vage Möglichkeit, dass die Recherchen des Reporters – sein Name war Helge Bittner – ein winziges Detail zu dem Fall zutage gefördert hatten, das ihnen weiterhelfen konnte. Selbstmotivation war alles an einem Tag, an dem das Thermometer locker die Fünfunddreißig-Grad-Marke übersteigen würde. Der Himmel war leicht bewölkt und am Horizont gelblich gefärbt. Vielleicht würden sie heute ja endlich das ersehnte Gewitter bekommen.
Der Reporter, der sicher achtzig Prozent seines beachtlichen Körpergewichts in seinem Kugelbauch von sich herschob, trug Baggy-Jeans, ein T-Shirt mit dem Aufdruck Ich glaube an ein Leben vor dem Tod und ein Basecap.
Weil die Luft in der Redaktion zum Schneiden dick war und Helge Bittner stark schwitzte, kamen sie überein, das Gespräch im nahe gelegenen Eiscafé zu führen. Es war inzwischen fast Mittag. Pia beschloss, das Mittagessen ausfallen zu lassen, und bestellte sich einen großen Früchte-Eisbecher. Ihr Gegenüber orderte einen Eiskaffee. Die Akustik in dem Lokal war so schlecht, dass sie vorerst darauf verzichtete, das Gespräch aufzuzeichnen. Ihre handschriftlichen Notizen mussten ausreichen.
»Ein bisschen Spuk kommt immer gut«, sagte Bittner, während sie auf ihre Bestellung warteten. »Ansonsten hätten wir den Mordfall nicht noch mal auf Seite eins bringen können. Von euch erfährt man ja nichts Neues.«
Pia überging den dezenten Hinweis auf die mangelnden polizeilichen Ermittlungserfolge. Stattdessen fragte sie: »Wie sind Sie auf diesen Geisterbeschwörer, auf Frank Albrecht, gekommen, Herr Bittner?«
»Aleister? Er hat sich an uns gewandt. Völlig durchgeknallt, der Typ. Aber das Interview war ein Geschenk. Eine Séance, Botschaften aus dem Jenseits und ein Geist, der keine Ruhe findet ... und das alles in Zusammenhang mit einem ungelösten Mordfall.«
»Sie schreiben in Ihrem Artikel recht ausführlich über den Mordfall, der sich vor ungefähr fünfundzwanzig, sechsundzwanzig Jahren in dem Haus ereignet hat. Sind Sie bei Ihren Recherchen auf einen Hinweis gestoßen, dass die beiden Verbrechen mehr verbindet als derselbe Tatort?«
»Wenn man Aleister glaubt, ist der Fluch das verbindende Element.« Bittner grinste andeutungsweise.
»Aber wir beide sind
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