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Ostseefluch

Titel: Ostseefluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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weiß auch nicht, ob er je so weit sein wird.«
    »War Milena es?«
    »Dann wäre sie bestimmt noch unter uns.«
    »Schau, dort sind die Hunde, von denen Frau Ingwers gesprochen hat«, sagte Broders, als sie wieder vor der Tür standen. Er deutete zu der Doppelgarage mit dem Satteldach, an deren Rückseite ein großer Hundezwinger angebaut war.
    »Hübsche Tiere«, bemerkte Pia und ging auf den Zwinger zu. Sie wurde schwanzwedelnd begrüßt. »Deutsch Kurzhaar«, sagte sie über die Schulter hinweg.
    »Ich mag Katzen.« Broders stand unschlüssig auf der gepflasterten Einfahrt. »Wäre praktisch, wenn die Viecher wenigstens reden könnten.«
    »Sie gucken so, als wüssten sie alles. Immerhin sind die Hunde Frau Ingwers’ Alibi.«
    »Apropos, wir sollten zusehen, dass wir diese Rosinski noch erwischen, Rudolf Ingwers’ Freundin. Hast du dir von ihm noch ihre Adresse geben lassen?«
    Pia nickte. »Die läuft uns nicht weg. Alteingesessene Bauernfamilie, nicht wahr?« Sie warf dem Zwinger noch einen zweifelnden Blick zu. Es roch hier etwas seltsam. Das passte so gar nicht zu dem aufwendig angelegten und gepflegten Grundstück. Wahrscheinlich lag es am Wetter. Diese drückende Schwüle wollte einfach nicht weichen. »Ingwers hat eine Gärtnerei, nicht wahr?« Sie schloss den Wagen auf. »Deshalb sieht es hier so fantastisch aus.«
    »Von Gärten scheint er ja was zu verstehen. Was man beim Thema ›Kindererziehung‹ wahrscheinlich nicht so ohne Weiteres von ihm behaupten kann.« Broders ließ sich stöhnend auf seinen Autositz fallen.
    »Irgendwann ist hier irgendwie etwas sehr schiefgelaufen.« Pia startete den Motor. Sie dachte an Milenas vernarbte Unterarme, an den brutal eingeschlagenen Schädel. »Dabei haben sie bestimmt nur das Beste für ihre Tochter gewollt.«
    »Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.« Broders Lieblingsspruch.
    »Hast du die Fotos gesehen? Als hätte während Milenas Kindheit immer nur die Sonne geschienen.«
    »Ich habe Bekannte, die das auch so machen. Die Fotos gaukeln dem Betrachter bloß ein Wunschbild vor. Absolute Selektion. Wenn du nur genug fotografierst, kannst du selbst den missratensten Urlaub wie einen Aufenthalt im Paradies aussehen lassen.«
    »Du meinst, Milenas Kindheit war gar nicht das Paradies auf Erden?«
    »Das beschäftigt dich, oder?«, fragte Broders hellsichtig.
    »Dieser Fall beschäftigt mich.«
    »Nein, Pia. Eine Sache beunruhigt dich, aber anders.«
    »Wie kann es sein, dass Eltern, die ihr Kind lieben und alles für es tun, so versagen?«, stieß sie hervor. »Oder ist das, was Milena passiert ist, nur ein unglücklicher Zufall?«
    »Nein. Ich denke, da lag einiges im Argen. Wir müssen noch mit ihren Freunden sprechen, mit ihrer ehemaligen Ausbilderin. Irgendwas ist schiefgelaufen, und Milena hat angefangen, sich systematisch selbst zu zerstören.«
    »Aber was?«
    »Wir werden es herausfinden.«
    »Meinst du?« Die ganze Wahrheit? Oder nur so viel, wie nötig war? Pia presste die Lippen zusammen. Sie hatte schon zu viel gesagt. Selbst Broders, den sie so gut kannte, konnte sie nicht anvertrauen, wie unsicher sie sich fühlte. Die ungeheure Verantwortung, ein Kind großzuziehen. Was schiefgehen konnte, bekam sie ja Tag für Tag vor Augen geführt. Wie oft ging es denn gut?
    »Ich werde noch mal kurz zum Tor gehen«, sagte Pia und hielt an der Abzweigung zu Mordkuhlen an. »Ich will die Karten und Blumen und all das Zeug mit eigenen Augen sehen.«
    »Das haben unsere Leute doch alles schon gesichtet und fotografiert.«
    Broders schüttelte den Kopf. »Mir ist heiß, und mir dröhnt der Schädel. Wenn wir nicht bald ein Gewitter bekommen, kratze ich den Lack von dieser nicht klimatisierten Scheißkarre. Meinetwegen fahr noch mal durch den Staub. Aber die Fenster bleiben offen.«
    Pia stellte den Wagen ab. »Ich werde zu Fuß gehen. Du kannst ja hier im Schatten warten.«
    »Gute Idee. Ich muss sowieso telefonieren.«
    Pia folgte dem gewundenen Feldweg. Bald war es zwischen den dicht belaubten Bäumen schattig und still. Wenn sie nicht sehr großes Glück hatten, konnte Milenas Mörder sich dem Haus am helllichten Tag genähert haben und wieder verschwunden sein, ohne von einer einzigen Menschenseele gesehen worden zu sein.
    Endlich tauchte das Haus zwischen den Bäumen auf. Mordkuhlen. Was für ein schräger und doch passender Name! Die dunklen Fensteröffnungen verliehen dem Haus ein boshaftes Gesicht. Das Tor war geschlossen. Pia sah auf die Blumen, Kerzen und

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