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Ostseefluch

Titel: Ostseefluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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Welt«, bekannte Ingwers. »Sie war zu verträumt und interessierte sich nicht für Mathematik oder Biologie.«
    »Wofür interessierte Milena sich?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Hatte sie Hobbys?«
    »Sie war nicht sportlich. Aber sie hat gern gemalt, glaube ich. Auf Judiths Wunsch hin hat sie mal Klavier gespielt, aber sie wollte nicht regelmäßig üben. Und später hat sie nur noch diese furchtbare Musik gehört.«
    Ein ganz normaler Teenager, dachte Pia.
    »Ihr Realschulabschluss war mäßig, und, nein, sie hatte keinerlei verwertbare Interessen. Deshalb hat sie ja nach der Schule auch noch ein Jahr nur so rumgegammelt«, fuhr er bitter fort. »Ich wusste nicht, was aus dem Mädchen werden soll. Deshalb hab ich mich dann auch dafür eingesetzt, dass sie wenigstens diese Ausbildung macht. Es hat nicht geklappt. Nach einem Dreivierteljahr hat ihre Lehrherrin sie rausgeschmissen. Sie ist einfach nicht mehr zur Arbeit erschienen.«
    »Haben Sie Hilfe in Anspruch genommen?«
    »Wer soll einem da helfen? Ich dachte, sie würde sich schon wieder fangen. Milena war kein schlechter Mensch ...« Er starrte trübsinnig vor sich hin. Dann straffte er die Schultern und sah Pia geradewegs in die Augen. »Warum soll ich Ihnen jetzt noch etwas vormachen? Sie war eine Enttäuschung. Irgendwie nicht mein Kind, verstehen Sie?« Er blätterte wieder in dem Album. Hektisch. Eines der dünnen Trennpapiere aus Pergamin riss mit einem hässlichen »Ratsch« ein. Er achtete nicht darauf. »Sehen Sie hier: Das war auf Mallorca. Da war sie neun. Und hier: bei einem Segelurlaub ... mit unserem ersten Hund, Blanka. Milena am Strand ... Milena und Judith zu Weihnachten.«
    »Wie wird Ihre Frau mit dem Verlust fertig?«
    »Judith kommt klar. Wissen Sie, im Gegensatz zu mir hat sie es doch gut. Sie hat ihren Glauben. Unsere Tochter ist jetzt im Himmel. Ein Grund zum Frohlocken ...«
    Broders starrte Rudolf Ingwers ungläubig an.
    Pia spürte, wie eine Gänsehaut ihre Arme hochkroch. »Ist Ihre Frau in der hiesigen Kirchengemeinde aktiv?«, fragte sie.
    »Auch. Sie ist in so einem speziellen Sing- und Betverein. Kreis Christlicher Ich-weiß-nicht-was ... Am besten, Sie befragen Sie selbst dazu. Das erzählt sie Ihnen gern.«
    »Sie sagten neulich, Sie seien auf dem Festland gewesen, als Milena ermordet wurde.« Wer über seine Ehefrau herzieht, kann jetzt ruhig auch mal ein paar ernsthafte Fragen beantworten, dachte Pia.
    Er sah sie erst ungläubig, dann mit einem wissenden Blick an. »Ich war morgens als Erstes im Geschäft. Wie eigentlich jeden Morgen, außer sonntags. Danach hatte ich einen Kundentermin und dann ...«, er blickte Pia starr in die Augen, »war ich noch bei einer Freundin. Rosinski heißt sie. Maren Rosinski. Sie wohnt nicht weit von hier entfernt.«
    Er war demnach zur Tatzeit wieder auf Fehmarn gewesen. Und er hatte sich entschlossen, reinen Tisch zu machen. Umso besser. Das konnte ihnen eine Menge Zeit ersparen.
    »Wir werden mit Ihrer Freundin sprechen müssen«, sagte Broders. »Und wir müssen auch mit den Freunden Ihrer Tochter reden. Haben Sie eine Idee, an wen wir uns wenden können?«
    »Freunde meiner Tochter?« Er schaute die Polizisten ratlos an. Dann hatte er sich wieder im Griff und sagte: »Fragen Sie das besser ihre Mutter.«
    Pia zögerte kurz, bevor sie das nächste Thema ansprach. Das Obduktionsergebnis hatte Fragen aufgeworfen, die er vielleicht beantworten konnte. »Wir haben bei der Obduktion Narben an den Unterarmen Ihrer Tochter entdeckt. Können Sie uns sagen, woher sie die hatte?«
    »Die Narben. Ach, das ... ist schon länger her. Sie hat mit Feuer gespielt. Wie Kinder so sind, müssen alles ausprobieren. Und wenn man ihnen tausendmal sagt, dass das gefährlich ist.«
    »Die Narben sahen anders aus, Herr Ingwers. Sie rühren von Schnittverletzungen her. Der Rechtsmediziner vermutet, dass Milena sie sich absichtlich beigebracht hat.«
    »Nein. Auf keinen Fall.« Er sah sie wütend an.
    Wenn sie jetzt gleich die nächste Frage anbrachte, würde er ihr womöglich an die Gurgel gehen. Da Broders gerade in das Kalenderbild eines Geländewagens in der Wüste vertieft war, fuhr Pia fort: »Außerdem hat Ihre Tochter unter einer Unterleibsinfektion gelitten. Wussten Sie das?«
    »Nein. Was soll das?«
    »Eine Infektion, die durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen wird.«
    Ingwers raffte die Fotoalben zusammen und knallte sie auf einen kleinen Beistelltisch. Eines der Alben rutschte herunter und

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