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Ostseefluch

Titel: Ostseefluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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Karten, die davor auf dem Boden lagen. Das Häuflein erzählte von Trauer und hilfloser Anteilnahme. War es bezeichnend, dass sich niemand auf das Grundstück getraut hatte?
    Pia ging vor dem Gatter in die Hocke. Sie zog eine Karte zwischen welken gelben Rosen hervor und drehte sie um.
    Wir vermissen dich. Heli, Sarah und Bibo.
    Bibo? Ob die Jugendlichen etwas wussten, das mit Milenas Tod zusammenhing? Über das noch vollkommen unklare Motiv? Milena war vom Täter überrascht worden. Von seiner Absicht, sie zu töten. Sie hatte ihn wahrscheinlich gekannt. Und die Leute aus ihrem Umfeld vielleicht ebenfalls.
    Als Pia sich wieder aufrichtete, sah sie, dass sie nicht mehr allein war. Da stand ein Mann, etwa zwanzig Meter von ihr entfernt, am Wegrand und sah zu ihr herüber. Es schien, als wäre er gerade auf dem Weg zum Tor gewesen und stehen geblieben, als er sie entdeckt hatte. Nun setzte er sich langsam in Bewegung und kam auf sie zu.
    »Eine schreckliche Geschichte«, sagte er wenig überzeugend und starrte sie mit seltsam durchdringenden Augen an. Er war groß und knochig, ungesund blass für die Jahreszeit und hatte lange, verfärbte Zähne. Die zeigte er kurz, als er ein serviles Grinsen andeutete. »Polizei, nicht wahr?«
    »Korittki. Kriminalpolizei«, sagte Pia. »Und wer sind Sie?«
    »Sie können mich Aleister nennen. Alle meine Freunde tun das.«
    »Und wie heißen Sie richtig?«
    »Frank Albrecht. Aber ich ziehe es wirklich vor, Aleister gerufen zu werden.«
    »Was tun Sie hier, Aleister? Wollen Sie zum Haus?«
    »Ich denke, ich kann den Menschen dort behilflich sein.«
    »Aha.« Sie sah zum Eingang hinüber. »Kennen Sie die Leute, die hier wohnen? Kannten Sie Milena Ingwers?« Pia machte einen unbedachten Schritt und stieß gegen einen in Zellophanpapier eingeschlagenen Blumenstrauß. Es raschelte.
    »In gewisser Weise kenne ich sie. Sie ist nämlich immer noch hier.«
    »Milena Ingwers? Hier?«, vergewisserte Pia sich. Ein Windstoß fuhr durch ihr verschwitztes T-Shirt. Trotz des warmen Sommerwetters fröstelte sie auf einmal leicht.
    Er nickte. »Aber eigentlich bin ich gar nicht ihretwegen hier.«
    »Weswegen dann?«
    »Ich stelle Kontakt her. Ich weiß genau, was Sie jetzt denken.« Er sah sie milde lächelnd an. »Doch Sie irren sich, junge Frau. Ich kann Ihnen sehr nützlich sein.«
    »Wenn Sie der Polizei etwas mitzuteilen haben, sollten Sie das nicht auf die lange Bank schieben. Sie können gleich mit mir mitkommen.«
    »Das wäre zu früh. Leider.«
    »Können wir Sie erreichen? Wo wohnen Sie?«, fragte Pia.
    »Ich wohne normalerweise auf dem Festland, in der Nähe von Itzehoe. Aber zurzeit logieren wir in der Admiralsstube . Es ist gar nicht weit von hier.«
    Pia ließ sich beide Adressen von ihm diktieren und überprüfte seinen Ausweis. »Ich werde mich kurzfristig bei Ihnen melden, Herr Albrecht. Wie lange bleiben Sie noch auf Fehmarn?«
    »Oh ... länger. Heute Abend geht es überhaupt erst los. Die Menschen hier«, er deutete zum Haus, »waren so freundlich, uns einzuladen.«
    »Einladen wozu? Und wen meinen Sie mit ›uns‹?«
    »Mich und die zwei Freundinnen, die mich begleiten. Wir treten heute Abend mit ihnen in Kontakt.«
    »Mit wem?« Pia hörte, dass ihr Tonfall schärfer wurde.
    »Mit den Geistern der Toten. Nicht mit dem dieser armen jungen Frau hier. Obwohl ... vielleicht lässt sich das nicht vermeiden. Tote, die unvorbereitet und eines gewaltsamen Todes gestorben sind, halten sich meistens noch eine Weile im Zwischenreich auf.«
    »Im Zwischenreich?« Das wurde ja immer schöner.
    »Das Zwischenreich müssen Sie sich als Diesseits-Jenseits-Übergangszone vorstellen. Dort sind all jene, die glauben, sie hätten noch etwas Wichtiges in unserer Welt zu erledigen. Ich biete ihnen dazu meine Hilfe an.«
    »Das ist nicht Ihr Ernst.«
    Er neigte vertraulich den Kopf. »Ich weiß, Sie glauben mir kein Wort. Das macht nichts. Macht gar nichts.« Er trat einen Schritt auf sie zu, sodass Pia reflexartig die Hände hob. Lächelnd zog er sich wieder zurück. »Der Erfolg gibt mir nämlich recht.«
    Wenige Kilometer weiter standen sich Rudolf und Judith Ingwers vor dem Garagentor gegenüber. Rudolf wollte das Navigationsgerät holen, das er im Land Rover liegen gelassen hatte, und Judith war ihm gefolgt.
    »Du hast der Polizei von deiner schmutzigen kleinen Affäre erzählt? Denkst du denn niemals an mich?«, fragte sie ihn, als er gerade das Tor öffnen wollte.
    Sie wusste also davon. Wie

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