Ostseefluch
Zimmer, ein richtiges Bad, der Innenhof zum Spielen. Die Lage war zwar nicht Altstadt-Insel, aber dennoch zentral ... Und das Haus war kein seelenloser Betonklotz. Wäre da nicht das Wort »Hausgemeinschaft« gewesen, bei dem sich die kleinen Härchen auf Pias Armen senkrecht aufgestellt hatten.
»Als Toms Schwester hast du natürlich schon mal einen Vorteil«, meinte der bärtige Mann, der neben der Rothaarigen stand. »Du arbeitest für die Polizei, hat uns Tom gesagt?«
»Da liegt er richtig«, bestätigte sie zurückhaltend.
Tom zog sie lächelnd zu sich heran. »Reiß dich zusammen!«, flüsterte er ihr leise ins Ohr.
»Und Pia hat einen kleinen Sohn«, warf Marlene ein. »Ungefähr so alt wir eure Lucy.«
»Das ist wunderbar.« Die rothaarige Frau prostete Pia mit ihrem Weinglas zu. »Wie heißt er denn?«
Ihr Freund oder Ehemann sah so aus, als hätte er zum Thema »Polizei« noch ein paar Fragen, entschloss sich aber offensichtlich, sich die für eine bessere Gelegenheit aufzuheben.
»Felix. Er schläft oben.«
»Ihr könnt ja alle mal darüber nachdenken«, meinte Tom. Und dann: »Warum stehen wir hier eigentlich so trocken herum. Ist das Bier schon alle?«
Pia war froh, der lächerlichen Prüfungssituation zu entkommen. Tom hätte sie wirklich vorwarnen können.
»Es sollte eine Überraschung sein«, sagte Marlene, die Pias Gedanken wohl erraten hatte.
»Die ist ihm gelungen.« Sie drängte das Gefühl, gerade von ihrem Bruder überrumpelt worden zu sein, beiseite und konzentrierte sich auf Marlene. »Wo wollt ihr denn bauen?«
»Im neuen Uni-Viertel. Das Grundstück ist toll, nur über das Haus sind wir uns noch nicht einig. Tom schwebt etwas im Bauhaus-Stil vor, während ich eher zum Landhaus-Stil tendiere.«
»Wenn einem alle Möglichkeiten offenstehen, ist es bestimmt auch nicht einfach.« Sie versuchte, sich ein Haus vorzustellen, das beide Baustile miteinander verband – oder auch nicht ...
»Na ja, unsere finanziellen Möglichkeiten sind schon begrenzt«, sagte Marlene. »Aber mit zwei Kindern wird es hier allmählich zu eng.«
Pia nickte. Mit dem Thema »Enge« war sie bestens vertraut. »Kennst du eigentlich Lars Kuhn?«, fragte sie dann. »Er ist ein Bekannter von Tom, hat er mir gesagt.«
»Meinst du den, der da hinten mit Stella steht? Ich kenne sie etwas besser. Sie hat früher auch bei Krüger gearbeitet.«
»Sind die beiden zusammen?«
»Mal ja, mal nein. Etwas undurchsichtig, das Ganze. Im Moment wohl nicht.« Marlene ließ Lars und Stella nicht aus den Augen. Die Frau drehte sich gerade auf dem Absatz um und verschwand in Richtung Straße. »Woher kennst du ihn?«
»Wir sind uns mal in Lübeck begegnet«, sagte Pia vage.
»Interessiert?«
Pia hob die Schultern, schüttelte dann aber den Kopf.
Gegen halb zwei machte Pia sich auf den Weg nach Hause. Als sie Felix tief schlafend aus seinem Reisebett hob, ertappte sie sich dabei, wie sie Toms und Marlenes Wohnung im Geiste mit ihren eigenen Möbeln bestückte. Schön. Und viel Platz ... Aber da waren auch die Anforderungen der Hausgemeinschaft: Die unheilschwangeren Begriffe Gartendienst und Treppenhausreinigungs-Turnus sowie Gemeinschaftsunternehmungen waren später im Hof so ganz nebenbei noch gefallen. Auf dem Weg nach unten kam Pia nicht umhin festzustellen, dass die Fensterscheiben im Treppenhaus glänzten und es aufdringlich nach Zitronenreiniger duftete.
Vor dem Haus stutzte sie. Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, parkte ein Geländewagen. Kein japanisches oder deutsches Fabrikat, mehr »Daktari trifft Rosamunde Pilcher«. Olivgrün mit weißem Dach. Aufgemotzt mit Dachgepäckträger, Scheinwerfern, Winde und anderem Spielkram. Derselbe Typ, den die Ingwers in der Garage stehen hatten. Aber mit einem Lübecker Kennzeichen.
Die Scheinwerfer blendeten auf, der Dieselmotor sprang an. Pia überquerte die Straße. Lars Kuhn saß am Steuer. Sie klopfte gegen die Scheibe.
Er öffnete die Tür. »Pia. Ich dachte, du bist schon weg«, flüsterte er mit Blick auf den schlafenden Felix auf ihrem Arm.
»Schöner Land Rover.«
»Eines meiner Lieblingsspielzeuge.«
Pia war gedanklich sofort bei ihrer Ermittlung. Sie konnte nicht anders. »Kennst du viele Leute, die so ein Ding fahren?«
»Na ja. Mir fallen da schon so einige ein. Man kennt sich eben ...«
»Ach, ja?«
»Ich fahre hin und wieder zu Land-Rover-Treffen hier in der Gegend. Du kannst ja mal mitkommen, wenn du willst.«
»Du gibst nicht so schnell
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