Ostseefluch
kennengelernt?«
Er zögerte wieder. »In der Gärtnerei ihres Vaters. Ein dummer Zufall. Ich war da, als sie völlig aufgelöst aus seinem Büro gerannt kam. Man hatte sie gerade aus ihrer Ausbildung geschmissen. Und sie war pleite, die Bank hatte ihre Karte eingezogen. Ich hab gefragt, ob ich irgendwie helfen kann ... Ich meine, sie heulte und war vollkommen fertig. Sie wusste nicht, wohin. Zu ihren Eltern zurück, das wollte sie auf keinen Fall. Ich hab Milena daraufhin erst mal mit zu mir nach Mordkuhlen genommen. Ich ahnte nicht, dass ihre Eltern im gleichen Dorf wohnen. Der Rest hat sich dann ergeben. Irma und Arne haben ein offenes Haus. Sie hat ihre Sachen geholt und blieb einfach da.«
»Wann war das?«
»Anfang Mai, glaube ich.«
»Wie war Milenas Verhältnis zu ihren Eltern? Was hat sie darüber gesagt?««
»Dass ihre Mutter eine religiöse Spinnerin und ihr Vater eine Egoist ist. Und dass er mit seinem rücksichtslosen Verhalten ihre Mutter überhaupt erst dazu getrieben hat, sich dieser Sekte anzuschließen.«
»Sekte?«
»Milena nannte es eine Sekte. Aber ich habe ein wenig recherchiert. Es scheint mir ein eher harmloser Verein zu sein. Na ja. Es ist wie bei allem: Auf die Dosis kommt es an.«
Obwohl sie seine Aussage aufzeichneten, machte Pia sich eine Notiz zu diesem Thema. »Kommen wir noch mal auf Ihren Streit an dem Morgen zurück: Wieso glaubte Milena, dass Sie sie ausnutzten?«
»Weil ... Ich hab sie mal um einen winzigen Gefallen gebeten«, gestand er widerstrebend. »Sie sollte mir bei einer Sache helfen. Das hat mit meinem Studium zu tun.«
»Etwas konkreter dürfen Sie schon werden«, sagte Juliane.
»Ich arbeite neben meinem Studium für eine Organisation namens Pomona , die gegen den illegalen Einsatz von Pestiziden kämpft. Roland Ingwers’ Gärtnerei steht seit Längerem im Verdacht, für bestimmte Projekte verbotene Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Mit katastrophalen Folgen! Ich wollte von Milena nur, dass sie mir einen Schlüssel besorgt, damit ich mit ein paar Leuten gewisse Lagerräume in der Gärtnerei überprüfen kann. Es wäre puppenleicht für sie gewesen.«
»Illegal erlangte Beweismittel sind doch vollkommen nutzlos«, sagte Juliane.
»Das hätten wir schon so hingedreht, dass es passt.«
»Ah, ja? Und hat Milena Ihnen dabei geholfen?«
»Nein. Sie wollte nichts davon wissen. Darum ja dieser blöde Streit. Ich habe sie dann auch gar nicht weiter gedrängt. Obwohl ... bei dem Verhalten ihrer Eltern habe ich nicht verstanden, warum sie solche Skrupel hat. Aber da war sie schon auf dem Trichter, dass ich sie nur ausnutze.«
»Wann genau haben Sie sich über dieses Thema gestritten?«
»Am Morgen ihres Todes. In der Küche. Sie fing gleich wieder an, mir Vorwürfe zu machen. Dann sagte Milena, sie wolle sofort ausziehen, sie wüsste nur noch nicht, wohin. Sie war so ein emotionaler Typ, wissen Sie. Immer ganz oder gar nicht. Kein Mittelmaß. Irgendwann wurde es mir zu blöd, und ich bin abgehauen.« Er trank den letzten Rest Kaffee und starrte dann in den leeren Becher. Als er aufblickte, sah er Pia direkt in die Augen. »Aber da war sie noch höchst lebendig.«
»Okay.« Pia betrachtete ihn aufmerksam. Er wirkte aufgewühlt, doch auch erleichtert. Seine Schultern schienen um ein paar Zentimeter nach vorn gesackt zu sein. Sein Gesicht hatte wieder etwas Farbe bekommen. So viel zur heilsamen Wirkung einer kleinen Beichte. Oder auch einer gekonnt präsentierten Lüge ...
»Erzählen Sie uns etwas über die Organisation, für die Sie da arbeiten!«, forderte Juliane ihn auf. Pia hätte ihn noch etwas länger schmoren lassen, um vielleicht noch mehr über seine Beziehung zu Milena zu erfahren. Aber der Moment der Selbstbetrachtung war vorbei.
Patrick Grieger reagierte entsprechend abwehrend. »Was tut das denn zur Sache?«
»Wir werden Ihre Aussage bezüglich der Organisation sowieso überprüfen. Es hat schon sehr lange gedauert, bis Sie überhaupt damit herausgerückt sind.«
»Weil es nichts mit Milenas Tod zu tun hat.« Er seufzte übertrieben und nannte ein paar Eckdaten. Noch ein neuer Aspekt, der Zeit und Ressourcen in Anspruch nehmen würde.
»Wussten Sie, dass Milena sich prostituiert haben soll? An einer Bushaltestelle?«, fragte Pia und nutzte bewusst das Überraschungsmoment. Sie beobachtete, wie sich Patrick Griegers Hände verkrampften. Seine Augen wurden schmal.
»Wer sagt das?«
»Das tut nichts zur Sache.« Sie ließ ein paar Sekunden
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