Ostseegrab
Bescheid?«
Olli nickte. »Ich hab daheim meine Wäsche abgegeben und bin Dr. Pieper in die Arme gelaufen. Mum hatte wieder so einen Migräneanfall. Jetzt auch noch Clara.«
Ben stand mühsam auf. »Ja, jetzt auch noch Clara. Und Sophie liegt verletzt im Krankenhaus.«
»Was?« Olli starrte Ben verwirrt an. »Sophie habe ich gerade aus dem Bistro kommen sehen.«
Ben rannte los, ohne Olli irgendetwas zu erklären. Er musste sie unbedingt noch erwischen und mit ihr reden. Er stürzte den Deich rauf. Da war sie. Sophie war bereits am Strand. Schnell holte er sie ein. Pelle rannte begeistert auf ihn zu. Er klopfte dem Hund den Rücken und atmete durch. Sophie sah ihn verstört an. Er bekam Panik, dass sie wegrennen würde. »Sophie!«, rief er außer Atem. Sie blieb stehen. Langsam ging er auf sie zu. »Ich habe dich mehrmals angerufen. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.« Er hätte sie so gerne in den Arm genommen, aber etwas in ihrem Blick warnte ihn, es nicht zu tun. »Sag doch was!«
»Tut mir leid«, erklärte Sophie sachlich. »Mir geht es nicht besonders gut. Ich habe Kopfschmerzen und mir ist nicht nach Telefonieren zumute. Ich habe das blöde Handy nicht mal dabei. Warum hast du nicht bei Tina angerufen und sie gefragt, wie es mir geht?«
Er hatte sogar darüber nachgedacht. »Ich hatte Angst, dass der Superbulle rangeht«, gab er kleinlaut zu.
»Das ist ja lächerlich!«
»Ach ja? Dein Freund Sperber ist doch der Erste, der den Thailandspinner für den Mörder hält.«
»Lass mich in Ruhe! Ich weiß auch nicht mehr, was ich glauben soll.«
»Das ist doch nicht dein Ernst!«, rief Ben erschrocken. Er wollte ihren Arm fassen, doch sie sprang zurück und sah ihn wütend an.
»Das reicht jetzt, Ben! Wir reden morgen. Ich bin jetzt viel zu durcheinander und ich brauche dringend eine Kopfschmerztablette. Ich musste schon im Krankenhaus die erste Aussage machen.« Sophie nahm Pelle am Halsband und ging davon. Plötzlich drehte sie sich noch einmal um. »Ach, Ben? Warst du wirklich in Ollis Wohnmobil? Gestern Nacht, als du nur schnell die Gasflasche tauschen wolltest?«
Ein kalter Schauer lief über seinen Rücken. Hatte sie der Polizei davon erzählt?
Sophie konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Sie wusste einfach nicht mehr, was und wem sie glauben sollte. Ihre Kopfschmerzen waren wieder unerträglich. Warum hatte sie nicht noch eine Tablette genommen? Sophie lief auf dem Deich zurück zum Haus. Jedes Mal, wenn sie den Fuß aufsetzte, pochte die Naht schmerzhaft. Tina sprang aus der Liege, als Sophie auf die Terrasse trat.
»Was ist denn passiert?« Tina nahm sie in den Arm, so wie sie es bei ihren Kindern machte, wenn sie sich wehgetan hatten. »Pst. Ist ja alles gut.«
»Nichts ist gut«, schluchzte Sophie. »Ich bin Ben über den Weg gelaufen. Er war so enttäuscht, dass ich ihm nicht vertraue. Ich möchte ihm so gern glauben, aber ... Ach Scheiße, ich brauch eine Schmerztablette.«
»Wie geht es denn deiner Birne?«, fragte Antonia neugierig.
»Meiner was?« Sophie musste trotz Schmerzen grinsen. »Nicht so toll, Süße.«
»Musst du noch ein Pflaster drauf machen«, schlug Paul ernst vor.
Sophie lachte leise und strich ihm liebevoll über den Kopf. Ungefähr so alt musste Ben gewesen sein, als seine Schwester ertrunken war. Plötzlich war sie sich sicher. Ein kleiner Junge konnte so etwas nie vergessen. Es war normal, dass Ben noch immer daran denken musste. Und dann war da noch der Tsunami. Bens große Liebe war auch durch Wasser ums Leben gekommen. Reichten zwei solche Schicksalsschläge? Konnte man deshalb durchdrehen? War Ben tatsächlich ein Psychopath? Sophie begann zu zittern. »Es geht auch ohne Pflaster«, brachte sie schlotternd hervor.
Tina sah sie besorgt an. »Sophie? Kann ich irgendwas für dich tun? Eine heiße Tasse Tee vielleicht?«
»Nein, danke. Ich nehme jetzt eine Tablette und leg mich hin.«
Tina brachte sie nach oben ins Gästezimmer. Sophie fühlte sich wie ein kleines Mädchen, als Tina sie zudeckte und ihr einen sanften Kuss auf die Stirn drückte. Sie kuschelte sich ins Bett und schlang die Arme um ihren Körper. Sie wollte nur noch schlafen und vergessen. Sie hatte sich auf der Insel doch nur ein paar Tage erholen wollen, nach der schlimmen Zeit, die hinter ihr lag. Und nun? Der Albtraum hatte gerade erst begonnen. Vielleicht hatte sie sich in einen Serienmörder verknallt.
Tina öffnete den Backofen und sah nach der Lasagne. Noch 10 Minuten
Weitere Kostenlose Bücher