Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ostseegrab

Ostseegrab

Titel: Ostseegrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Clausen
Vom Netzwerk:
angewidert das Gesicht. Das Bier war warm und anscheinend hatte er in Gedanken auch noch eine Kippe reingeworfen. Ben feuerte die Dose unter den Transit und sprang auf. Ob sie es sich anders überlegt hatte? Vielleicht hatte man ihr ein Beruhigungsmittel gegeben und sie war eingeschlafen. Dass der Hund sterben musste, war furchtbar. Es war fast unmöglich für ihn, sie sich ohne den braunen Labrador an ihrer Seite vorzustellen. Ben öffnete die Schiebetür, um sich ein frisches Bier aus dem kleinen Kühlschrank zu holen. Er sollte sich einfach beruhigen. Sicher war alles in Ordnung. Es war bereits halb 10. Und wenn Sophie doch nichts mehr von ihm wissen wollte? Sein Mund wurde trocken. Er musste sie sehen. Er hatte ihr noch einiges zu erzählen. Sie sollte die ganze Wahrheit wissen. Ben hatte noch mit niemandem darüber gesprochen. Dieser verfluchte zweite Weihnachtstag! Er war in die Tigerbucht gerannt, um nach Lamai zu suchen. Alles war zerstört. Überall lagen Leichen. Und dann sah er sie. Wahrscheinlich hätte ihre eigene Mutter sie nicht erkannt. Ihr Kopf war so gut wie weg. Irgendein schweres Teil hatte ihr das schöne Gesicht genommen. Eigentlich fehlte fast der ganze Kopf. Er wusste sofort, dass diese entstellte Leiche seine Lamai war. An dem aufgequollenen Finger saß der Ring. Wie ein viel zu enger Gürtel teilte er den Finger in zwei dicke Hälften. Ben schluchzte leise. Die Erinnerung tat noch immer so entsetzlich weh, aber er würde ihr davon erzählen. Sophie sollte wissen, dass er es ernst meinte. Dann würde sie auch verstehen, warum es zu diesem dummen Zwischenfall mit Sarah gekommen war. Die ganze Geschichte war ein grausamer Fehler gewesen. Und auch die anderen Affären. Er hätte auf eine Frau wie Sophie warten sollen. Dann hätte er sich vieles ersparen können. Und er hätte nicht so ein schlechtes Gewissen.
     
    Hanjo sah besorgt zu Sophie. Sie hielt den Becher in beiden Händen und starrte ihn mit halb geschlossenen Augen an. Plötzlich zuckte sie zusammen, als wäre sie aus einem Traum erwacht.
    »Wo ist dein Telefon?«
    Hanjo schüttelte lächelnd den Kopf. »Fee mochte meinen Kakao auch am liebsten. Ist doch komisch.« Nicht mal Freya bekam ihn so lecker hin wie er.
    »Fee?«
    Sie musste wirklich angeschlagen sein. Sie kapierte so langsam. Dabei war sie doch zweifellos ein sehr cleveres Mädchen. »Ja, Fee. Meine Tochter!«, erklärte Hanjo verwundert.
    »Ich wusste gar nicht, dass du eine Tochter hast.«
    Hanjo stand auf und ging zu dem kleinen Küchenregal. In einem hübschen Silberrahmen war das Foto. Er nahm das Bild herunter und gab es ihr.
    »Das ist sie. Da war Fenja 14«, erklärte er leise. »Ein komisches Alter, oder? Nicht Fisch, nicht Fleisch.«
    Hanjo hasste und liebte dieses Bild. Es war das letzte Foto, das von ihr gemacht wurde. Sie stand am Strand neben ihrem Geburtstagsgeschenk, einem Surfbrett. Und sie sah so glücklich und stolz aus. Sophie glitt der leere Becher aus den Händen. Er rollte über die Fliesen.
    »Fenja?«
    Hanjo nickte lächelnd. »Ja! Freya und ich haben sie immer nur Fee genannt. Unsere kleine Fee. Sie war unser Wunder.«
    »Die Fenja?«, fragte Sophie langsam. Sie schluckte und rieb sich die müden Augen. »Ollis Freundin?«
    »Ja.« Er lachte leise, als er sich erinnerte. »Sie waren sehr verliebt. Olli hatte auch das Brett ausgesucht. Das Brett, das sie für immer von uns weggebracht hat. Ich habe ihn zwischendurch dafür gehasst. Aber der Junge hat sich selbst genug Vorwürfe gemacht. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Es war nicht seine Schuld, dass das passiert ist, aber ich glaube, er denkt das bis heute. Freya hat alles versucht, ihm das Herz leichter zu machen. Er war immer willkommen. Ich glaube, er hatte das Gefühl, alles irgendwie wieder gutmachen zu müssen. Er half immer ungefragt, wo er nur konnte.«
    »Ich muss Stefan anrufen. Danke, für deine Hilfe. Tut mir leid, dass ich so fertig bin. Ich glaube, die Tabletten von gestern hauen mich noch immer um.«
    Hanjo nickte. Sophie versuchte aufzustehen, doch ihre Beine gaben nach. Sie stöhnte, als sie auf die Fliesen rutschte. Hanjo stellte den Silberrahmen vorsichtig zurück auf die Borte. Alles war so schrecklich, aber er hatte keine Zeit in Trauer zu versinken. Er musste sich jetzt um Sophie kümmern.

44
    Ben zündete sich noch eine Zigarette an und lauschte. Es war nichts zu hören. Er hoffte, dass Sophie, wenn sie überhaupt noch kommen würde, vernünftig genug war mit dem

Weitere Kostenlose Bücher