Ostseegrab
Wir haben bis 10 Uhr Zeit, dann kommt Ingmar, damit wir alles für die Pressekonferenz morgen durchgehen können. Je mehr wir finden, desto besser.«
Todesfälle vor Jahrzehnten. Stefan sah keinen Zusammenhang. Das Einzige, was ihm bei der Sache auffiel, war, dass schon damals eine Freundin von Olli ums Leben gekommen war. Ingo sagte, sie wäre ertrunken. Ein junges Mädchen. Hatte er tatsächlich den richtigen Riecher gehabt? Er hatte von Anfang an auf Oliver Konrad getippt. Angestrengt grub er bei der noch immer schwülen Hitze weiter. Nach einer Stunde hatte er das Grab ausgeschaufelt. Er ging wieder in die Garage, lud den toten Hund auf die Schubkarre und brachte ihn zum Erdloch. Vor der eigentlichen Beerdigung hatte er sich wirklich ein Bier verdient, entschied er. Stefan wollte gerade ins Haus gehen, als Tina mit einer Flasche über den Rasen kam. »Hey! Du kannst ja Gedanken lesen!« Er gab ihr einen Kuss und nahm ihr das Bier aus der Hand.
»Ich wünschte, ich könnte! Bevor du wegfährst, muss ich dir noch was sagen. Sophie war so deprimiert heute. Ich hab mir wirklich Sorgen gemacht und da habe ich Ben verständigt, über Hanjo.«
Stefan trank gierig ein paar Schlucke und sah sie dann fragend an.
»Ben war hier?«
Tina nickte. »Die beiden mögen sich wirklich. Er kam sofort rüber und hat sie getröstet.«
Stefan stellte das Bier ab und ließ den Sack mit dem toten Hund in die Grube fallen. »Tina, geh lieber weg. Ich muss jetzt den Plastiksack aufschneiden und gleich wird es hier ziemlich übel riechen.«
Sie griff nach seinem Arm. »Ich hab so ein komisches Gefühl.«
»Ermittelst du jetzt auch noch? Bitte, Tina! Jetzt lass mich das hier hinter mich bringen. Ich muss wirklich dringend los!«
Sie ließ ihn nicht los. »Stefan! Ich meine das verdammt ernst! Ich glaube, ich habe irgendwas Wichtiges übersehen.«
Sophie spazierte langsam auf dem Deich entlang. Warum hatte sie nicht den Wagen genommen? Es war trostlos und einsam ohne Pelle. Zwischendurch sah sie sich aus reiner Gewohnheit nach ihm um. Wie lange sie wohl brauchen würde, sich an ihre neue Einsamkeit zu gewöhnen? Schließlich war der Hund fünf Jahre lang ihr ständiger Begleiter gewesen. Ob er schon in seinem Grab lag? Sophie zwang sich, nicht an ihn zu denken und konzentrierte sich auf Ben. Sie war wirklich widerlich zu ihm gewesen, schämte sie sich. Er hatte ihr die Wahrheit über den Tod seiner Schwester erzählt, da war sie sich sicher. Aber was bedeutete der Unfall noch immer für ihn? Und wenn Ben doch einen Knacks abbekommen hatte, weil er seine kleine Zwillingsschwester nicht hatte retten können? Was hatte er noch gesagt? Er würde nie ihr Gesicht vergessen. »Kein Mensch würde das je vergessen können«, murmelte Sophie vor sich hin. Nein, dieser Schicksalsschlag vor 28 Jahren war entsetzlich, aber kein Mordmotiv. Aber warum hatte er ihr nichts von Sarah erzählt? Sophie wusste, dass er mit ihr geschlafen hatte. Er hatte die Zahnbürste selbst identifiziert. Wenn er ihr wirklich vertraute, dann hätte er doch die ganze Wahrheit sagen können. Er war doch auch ganz offen gewesen, als er ihr von seiner großen Liebe in Thailand erzählt hatte. Was würde Miss Marple jetzt tun? Ohne Mister Stringer? Sophie merkte, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. Sie fühlte sich so kraftlos. Jeder Schritt war mühsam. Sie hätte wohl wirklich besser bei Tina bleiben sollen. Sie hätte Pelles Beerdigung mit einer Flasche Rotwein begossen und wäre dann betrunken zu Bett gegangen. Dann hätte sie wenigstens nicht mehr grübeln können. Sie hätte sich einfach in den Schlaf geweint. Warum hatte sie den blöden Hund auch nur dazu erzogen, zu allen freundlich zu sein? Sophie blieb ruckartig stehen. Pelle war zwar immer freundlich, aber den nächtlichen Besuch eines Fremden hätte er sicher mit Gebell kommentiert. Er war nicht im Schlaf überrascht worden. Seine geliebte Decke lag auf der Terrasse. Er war im Obstgarten erschlagen worden. Sophie hörte das Blut in ihren Ohren rauschen. Wenn er nicht gebellt hatte, dann konnte das nur eins bedeuten. Er hatte seinen Mörder gekannt! Plötzlich waren die Kopfschmerzen wieder da. Was sollte sie jetzt nur machen? Sollte sie besser zurücklaufen und Stefan von ihrer Vermutung berichten? Aber wenn sie umkehrte, würden sie doch nur viele unbeantwortete Fragen quälen. Sie musste noch mal mit Ben reden und am besten erledigte sie das sofort. Sie war ja sowieso schon fast da. Der kleine
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