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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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überschwengliche Lob ausblieb. Sie lachten.
    Weber brummelte etwas. Julia war sich nicht sicher, ob er Annes Bemerkung gehört hatte. Sie wanderten eine gute Stunde, zunehmend bergan. Und irgendwann, ganz plötzlich, gaben die Föhren den Blick frei auf die Restauration. Die erhob sich nun vor ihnen wie eine Burg, wie eine uneinnehmbare Festung. Alle Fenster waren hell erleuchtet, was dem biederen Bau ein festliches, ja fröhliches Aussehen gab.
    »Wie viele Leute kommen denn?«
    »Sicher nicht so viele, aber darauf kommt es Marianne nicht an. Du liebe Zeit!«
    Aus dem Haus klang plötzlich ein fürchterliches Dröhnen, gewaltige Bässe zerschmetterten die Stille.
    »Beethoven. Egmont. Die Ouvertüre«, sagte Anne trokken. »Das hat sie schon immer für eine angemessene Begrü ßungsmusik gehalten. O Marianne!«
    Weber hatte sich durch den Lärm überhaupt nicht beirren lassen. Zielstrebig wie ein frommer Pilger zog er leicht gebeugt an ihnen vorbei, auf einen Stock gestützt, als wäre
er dieses seltsame Schauspiel gewöhnt. Der Hund war längst wieder weit voraus.
    »Ein bißchen wie Bayreuth!« witzelte Julia, obwohl sie noch nie bei den Wagner-Festspielen gewesen war. Aber dies hier war sowieso besser. Merkwürdiger in jedem Fall. Anne und Julia beschleunigten fast automatisch ihren Gang.
    Marianne erwartete sie schon, ganz Dame an diesem Abend. Mit einem Ruck riß sie die große Seitentür zur Restauration auf, und Julia schien es, als müßte die mächtige Gestalt von der Musikwoge, die hinter ihr aus dem Haus quoll, mitgerissen und ihr direkt vor die Füße gespült werden. Aber Marianne stand, natürlich, wie ein Mann. Schwarz und imposant hob sich ihre Silhouette im Türrahmen ab, auf dem Kopf trug sie heute einen besonders ausladenden Hut, dessen breite Krempe mit allerlei Zweigen und Beeren, ja, sogar mit kleinen Vögeln und Schnecken geschmückt war. Über die ganze waldige Pracht war noch einmal ein schwarzes Netz geworfen, das von Federn gekrönt wurde, vielleicht, um die Kleinode vor Staub und allzu heftigem Luftzug zu schützen. Das alles hatte eine bizarre Wirkung: als trüge Marianne ein gewaltiges Paket auf dem Kopf, das sie vergessen hatte aufzugeben. Um die Schultern geschlungen hatte sie eine Pelzstola, und die muskulösen Schultern waren nackt! Unter der Stola quoll schwere, aquamaringrüne Seide in mehreren Lagen bis auf den Boden, und schwarze Schnallenschuhe blitzten unter dieser opulenten Aufmachung hervor. Marianne strahlte: »Anne! Julia! Meine sehr Lieben.«
    Sie wandte sich würdevoll um, um sie ins Haus zu lassen. Das Rascheln der vielen Stoffe war wohl endgültig zuviel für Webers eigentlich gelassenen Hund. Wahrscheinlich roch schon der tote Fuchs, den Marianne trug, nicht mehr allzu einladend, auch schwankte der Hut, als Marianne sich bückte, um Harry wohlwollend zu tätscheln; mit einem Aufheulen
wich der Hund der sich nähernden Hand aus und gab Fersengeld. Kein Rufen, kein Pfeifen half. Harry ließ sich nicht mehr blicken. Der alte Weber schüttelte den Kopf:
    »Hätt’ ich man meene Gänse mitbringen sollen. Die sind jedenfalls mutiger, da könnt ihr Gift drauf nehmen!« und schob sich an Marianne vorbei.
    »Mein Gott!«
    Marianne hatte sich wirklich selbst übertroffen. Das grandiose Treppenhaus erstrahlte im Schein von vielen hundert Kerzen. Von oben drang Stimmengewirr, so daß man plötzlich das Gefühl hatte, in einer anderen, längst vergangenen Zeit einem festlichen Diner beizuwohnen. Oben warteten die alten Freunde und andere Leute aus dem Dorf, die Julia vom Sehen kannte, sowie Bekannte Mariannes vom Festland und von der großen Insel. Nein, offensichtlich kein Hanno. Eine angeregte, festliche Gesellschaft. Und wie hatte Marianne nur ihren Speisesaal geschmückt! Sie hatte, wenn sie unten in der Restauration von ihren Privaträumen erzählte, immer nur von einem grünen, einem blauen und einem roten Salon gesprochen, was Julia ein wenig überkandidelt vorgekommen war, aber nun begriff sie, was Marianne gemeint hatte, und vor allem, warum sie so stolz auf diese Räume war: Marianne glaubte fest an den emotionalen Wert der Farben, das war Teil ihrer höchst privaten, ein wenig obskuren Mischung aus Glauben und Philosophie, aus Goethe und Rudolf Steiner, bereichert durch persönliche Lebenserfahrung und ein wenig gemildert durch ihre Vergeßlichkeit und die Anforderungen des Alltags. Für den heutigen Abend jedenfalls hatte sie das blaue Zimmer gewählt, und sie hatte

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