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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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es in einen russischen Theatersaal verwandelt. Schwere rote Vorhänge mit verblichenen goldenen Fransen säumten den Eingang, dahinter öffnete sich eine kobaltblaue, golden durchwirkte Pracht: Marianne hatte die
Wände des seltsam ungleichmäßig gebauten Raums mit blau und gold gestreiftem Papier tapeziert, von einem schweren dunkelroten Teppich stieg der leicht modrige Geruch längst vergangenen Wohlstands auf. Julia traute ihren Augen kaum, als sie den Blick hob: Waren das wirklich echte Stuckarbeiten, die da rings umher, ja sogar diagonal über die Decke liefen? Dargestellt waren bacchantische Szenen, ausschweifende Picknicks mit barbusig feiernden, üppigen Damen, Männern mit Bockshufen und albern umherspringenden Ziegen, während im Hintergrund Phantasiestädte von sagenhaften Herrschern kündeten... Als der nächste Besucher eintrat, entdeckte Julia den charmanten Betrug: Im Windzug bewegte sich die vermeintliche Gipsarbeit! Es waren nur Seidentücher, bunt bemalt und mit einigem Geschick an der Decke drapiert, die den Eindruck meisterliche Stuckateursarbeit erweckt hatten.
    »Hallo!«
    Vor Julia stand plötzlich Hilda, Hilda Minarek, und um ein Haar hätte Julia geknickst, in dieser seltsamen, verwunschenen Kulisse. Hilda sah allerdings auch wie eine leibhaftige Prinzessin aus in ihrem tiefroten, verwegen dekolletierten Kleid, das ihre makellose Goldhaut bestens zur Geltung brachte. Auf dem Kopf trug sie einen schmalen Reif, mit Glasperlen in den Farben des Kleides, und sah so kostbar und so deplaziert aus wie stets. Ach Hilda! Julia begriff endgültig, daß Hanno nicht gekommen war, und noch bevor sie fragen konnte, sagte Hilda leise: »Er ist noch nicht soweit! Bitte versteh!«

    Sie mußte nicht verstehen. Sie konnte trinken. Denn schon nahten von rechts und links dienstbare Geister, die sich erst auf den zweiten Blick als die alten Bekannten aus den anderen Gaststätten der Insel entpuppten. Und natürlich waren auch Mariannes eigene Angestellte dabei, Iris war heute so
aufgeregt, daß sie sich fortwährend die Finger an der gestärkten Schürze abwischte, während ihr Mann Sven immer sofort nachschenkte, wenn jemand an einem Glas genippt hatte, um dann mit seiner Kochmütze in die Küche zurückzueilen, von wo das Klappern von Porzellan und metallenen Schüsseln erklang. Der Saal füllte sich, Marianne hatte die Fensternischen mit goldfarbenem und sonnenrotem Pergament ausgekleidet und Kerzenleuchter dahinter plaziert, so daß weiches, flackerndes Licht auf die Menschen fiel und das Kulissenhafte der Szenerie noch verstärkte. Auch von der Decke hingen nur ein paar Kerzenleuchter, die gelegentlich tropften und den darunter Flanierenden kleine, spitze Schreckensschreie entlockten. Eine fast hysterische Atmosphäre lag in dem Raum. In ausladenden kupfernen Krügen waren spektakuläre Blumen arrangiert - keineswegs alle echt, Marianne hatte ihre üppige Imagination wuchern lassen und phantastische Gebinde entstehen lassen, mit großblättrigen, hochaufragenden Pflanzen, die kein Mensch je gesehen hatte. Überdimensionale Nelken bauschten sich aus den Gefäßen, gestützt von militärisch aufrechten Margariten, die widernatürlich gold und messingfarben schimmerten. Silberne Glockenblumen blitzten auf, und überall rankte dunkelvioletter Efeu und kroch tiefschwarzes Moos aus flacheren Schalen. Es war, als hätte ein biederer Gärtner zuviel süßen Dessertwein getrunken oder irgendein Opiat zu sich genommen; dafür sprach auch die Wasserpfeife, die, von den Gästen vorläufig noch nicht genutzt, in einer arabisch dekorierten Ecke des Saales still und friedlich vor sich hin qualmte, während nicht zu identifizierendes Räucherwerk, korallenfarbene und giftig türkisgrüne Spezereien darauf warteten, in ihren silbernen Wannen entzündet zu werden. Spezereien, dachte Julia, hier waren ihre Lieblingswörter jetzt gut aufgehoben. Sie zerrieb ein paar Körner zwischen den Fingern. In Kristallkaraffen glänzten ölige
Flüssigkeiten, Kelche und schwere Pokale aus den traditionellen Glasbläsereien des Erzgebirges wetteiferten mit ihrer Farbenpracht. In Mariannes überbordendem Sammlerhaushalt wurde deutlich, wie verschont und wie sicher die Insel stets gewesen war; nach dem großen Nordischen Krieg, der aber schon gut und gerne zweihundertfünfzig Jahre her war, hatte kein Krieg sie mehr verwüstet, selbst der letzte große Weltkrieg war spurlos an ihr vorübergegangen. Gleichmütig hatten die Inselbewohner dem

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