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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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dieser Anrede zu bleiben. »Wohl so’ne Art Touristin, was?«
    Die anderen vier schauen den Mann mißmutig an. Ganz klar, Fragen sind hier nicht willkommen. Man ist einfach da, und gut ist es. Keine Umstände machen. So schauen die Leute auch aus. Die dunkelbraunen Haare der alten Frau, mit reichlich Grau durchsetzt, enden irgendwo im Nacken wie abgebissen. Dreivierteljacke, offen, eine Strickjacke lugt hervor über der Bluse, die vor allem reinlich ist. Die Männer
alle irgendwie angezogen. So, daß es wärmt. So, daß es nicht weiter auffällt. Gescheitelte Köpfe, einer schiebt sich die Hornrandbrille immerfort auf der Nase hin und her. Solche Nasen sind immer großporig, und solche Männer meistens sanftmütig, und sie vertragen einen Schluck.
    »Nein, nein, ich... ich bleibe ein Jahr hier.«
    Sie hat sagen wollen, daß sie Germanistin ist und daß sie ein Forschungsprojekt hierher geführt hat, aber das ist ihr plötzlich affig vorgekommen.
    »Ich werde bei Frau Bult arbeiten«, sagt sie stattdessen. »Sie wissen schon, in der Forschungsstätte...«
    »Im Haus vom Ladestein, was? Das ist vernünftig, die können’n bißchen Aufräumen gut gebrauchen!«
    Ein zweiter mischt sich ein.
    »Bei den ganzen Büchern da. Das staubt ja mächtig.«
    »Also keine Touristin, nein?«
    Für den Gutmütigen scheint das aus irgendeinem Grund von Bedeutung zu sein. Julia faßt sich ein Herz.
    »Sie mögen wohl keine Touristen?«
    »Kommt drauf an«, sagt einer diplomatisch, »kommt immer drauf an. Wissen Se’…«
    Die Tür geht auf. Die Blondine kommt herein. Die blonde Kutscherin, die den Toten abtransportiert hat. Durch das große Fenster sieht Julia die beiden Pferde und den Wagen. Die Plane ist entfernt worden, statt dessen haben mehrere Bänke auf der Ladefläche Platz gefunden. Und über den Kutschbock ist nun eine alberne Girlande gespannt, das Zaumzeug der Pferde ist mit Bändern geschmückt. Die Blonde trägt eine Schirmmütze, die ihr, das muß Julia zugeben, vortrefflich steht.
    Eigentlich steckt sie nur den Kopf zur Tür herein, nickt kurz in die Runde.
    »Tag, allerseits!« und zur Kassiererin: »Komm, gib mir mal’n Schlüssel für die Kirche.«

    Die Kassiererin greift hinter sich.
    »Paß bloß auf, daß die nich’ wieder die ganzen Krümel auf den Kirchenbänken lassen, Hilda! Letztes Mal habe ich zwei Stunden hinter euch hergewischt!«
    »Laß man gut sein, die kommen aus Holstein. Is”ne ganz ordentliche Truppe, hab’ schon ganz andere erlebt.«
    Schon ist die Blonde wieder verschwunden. Schweigen breitet sich aus im Raum. Kunden sind keine zu sehen. Einer der Männer zündet sich eine Zigarette an, und zu Julias Überraschung protestiert niemand. Nach einer Weile fragt sie:
    »Ist diese... diese blonde Frau so eine Art Fremdenführerin?«
    »Hilda?!« prustet einer los, »Hilda? Nee! Hilda, die gehört zu unserem Tierarzt, zum Minarek.«
    »Na, was man so Tierarzt heißt!« sagt ein anderer, in mauligem Ton.
    Etwas stimmt hier nicht. Julia spürt es ganz deutlich. Die Leute wirken noch schweigsamer als vorhin, und bestimmt ist es nicht der Tote am Strand, der ihnen aufs Gemüt geschlagen ist. Die Leute, so kommt es ihr vor, mögen diese Hilda nicht, und ihren Mann, den Tierarzt, offenbar auch nicht.
    Die Leute im Laden scheinen in ihren Schnapsgläsern verborgene Einsichten zu entdecken, so tief kriechen sie mit ihren Blicken hinein. Die Kassiererin schenkt nach. Drau ßen hat sich endlich die Sonne durchgesetzt.
    »Dankeschön!« sagt Julia und gibt allen die Hand. Die Leute schauen erstaunt, aber nicht unerfreut hoch. Julia hat keine Fragen gestellt oder, na ja, höchstens ein oder zwei. Das ist ganz in Ordnung für jemanden, der neu ankommt. Die Leute nicken freundlich zum Abschied. Man wird sie wiedererkennen und grüßen, das weiß Julia.

    »Also, nun mal schön der Reihe nach!« verlangte Frau Bult, während sie eine Tasse Tee einschenkte. »Sie wollten bloß ein bißchen einkaufen, und dann haben sie einen Spaziergang an den Strand gemacht, dort einen Toten entdeckt und haben im Dorf ein paar Leute kennengelernt und den Tierarzt getroffen?«
    »Nicht den Tierarzt! Diese blonde Frau...«
    »Hilda?«
    »Ja, genau, und die Leute scheinen etwas gegen sie zu haben, obwohl sie den Toten abgeholt hat, und...«
    Nun verschluckte Julia sich schon, so viel auf einmal hatte sie zu erzählen.
    Himmel, was für eine Einführung! dachte sie bei sich. Was für eine Einführung in einen neuen Job. Da kam sie

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