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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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Den Mann zu Hause, jeden Abend nach der Arbeit im Dünenhotel, das hielt sie nicht aus.
    »Is’ ja auch heikel«, sagte Erika mit schwerer Zunge. »Bei vielen hier hat’s ja auch nur funktioniert, weil man sich praktisch nie gesehen hat. Auf so’ ner Insel hockste einfach zu dicht auf’nander.«
    »Das Problem fängt schon vorher an«, mischte sich die Mausbraune ein. Auf ihrer feinen Mäusenase glänzten kleine Schweißperlen: Das schnell getrunkene Bier tat seine Wirkung. »Das Problem fängt schon vorher an«, wiederholte sie und schob die Brille mit dem linken Zeigefinger so energisch nach oben, daß der Rand an die Augenbrauen stieß. »Überleg mal, wieviel Leute wir hier sind. Tausend vielleicht noch. Oder ooch tausendzweehundert. Das heißt, wir kennen uns alle. Uns hamse als Kinder innen selben Hort jesteckt, von morjens bis abends, bis die Eltern halt von’ner Arbeit kamen, dann hamse uns auf dieselbe - eben die eenzije Schule jeschickt. Wir sind zusammen jroß jeworden - immer alle zusammen. Und selbst, wennde mal’n Hobby hattest - Handball spielen oder so -, da haste dieselben Leute ooch wieder jetroffen. Immer dieselben Leute. Na, und irjendwann jibste halt uff und heeratest ooch noch so eenen, watt willste machen!«
    Sie nahm noch einen Schluck. Ihre Freundin nickte dazu, wie immer.

    »Is’ ja meest ooch jar nischt so schlecht, die ha’m ja ooch keene Vergleichsmöglichkeiten!«
    Erika schaltete sich wieder ein. Bier und Likör ließen die Frauen in jene Reste von Dialekt fallen, die Julia gleich bei ihrer Ankunft aufgefallen waren. Es war kein Plattdeutsch - das sprachen nur wenige Alte am Ort, und auch die benutzten es ausschließlich untereinander -, es hatte sich vielmehr so etwas wie ein allgemeines Berlinern über das Hochdeutsche und die Reste des Pommerschen gelegt, als hätten die Inselbewohner vor dem sommerlichen Ansturm der Feriengäste aus der Hauptstadt sprachlich kapituliert. Vielleicht verbanden sie mit dem Klang des Hauptstadtjargons auch eine gewisse Lässigkeit oder Überlegenheit. Oder vielleicht hatten sie sich einfach nur angepaßt. Auch da, dachte Julia.
    Erika erzählte von den Ungerechtigkeiten des Insellebens. Die Männer kamen mehr herum als die Frauen: durch den Militärdienst zunächst, und die, die studiert hatten, wurden am Anfang irgendwohin geschickt, meist in weit entfernte Bezirke, um Berufserfahrung zu sammeln. Die meisten Ehen auf der Insel waren irgendwann gescheitert - noch mehr, als es in der DDR ohnehin üblich war. Es waren im günstigsten Fall Zweckgemeinschaften, die hielten, solange man sich brauchte. Als diese Notwendigkeit entfiel, war es auch mit der Selbsttäuschung vorbei - so wie bei Erika, die zwar eigentlich noch immer verheiratet war, der aber nur die monatliche Hoffnung geblieben war, daß ihr Mann pünktlich seine Schecks sandte, damit das Internat für den elfjährigen Sohn bezahlt werden konnte. Das war innerhalb von zwei Jahren doppelt so teuer geworden wie früher. Also rackerte Erika sich in ihrem kleinen Laden ab, konnte von Glück sagen, daß es keine Konkurrenz gab auf der Insel.
    »Wirklich Glück!« sagte sie grimmig und schwenkte ihr leeres Likörglas, das ölig glänzte.

    »Malte, noch einen!«
    Das Gespräch wurde ernster. Sie redeten über die Arbeit, über Alternativen, die sie nicht hatten. Die Mausbraune, eine gelernte Biologin, träumte davon, mit ihrer Freundin ein Gewächshaus zu bauen, kein gewöhnliches, in dem Tomaten und Gurken auf ihre Ernte warteten. Nein, in einem Wirtschaftsmagazin, das die beiden Frauen gleich nach der Wende abonniert hatten, war zu lesen, daß unter bestimmten Bedingungen Fördermittel für den Anbau bestimmter Früchte zu ergattern wären. Freilich nicht mit dem biederen Landbau alter Art, sondern, indem man eine Art von neuem landwirtschaftlichen Erlebnisbereich schüfe. Die Touristen, von denen die Insel ohnedies abhängig war, sollten diese Produkte bestaunen und kaufen - sie waren viel eher die Zielgruppe als die genügsamen Einheimischen, bei denen es seit Jahrhunderten dieselbe einfache Kost gab.
    »Meinst du im Ernst, du findest einen, der indisches Gemüse ißt? Und dafür noch Geld bezahlt?« fragte Lisa ungläubig. »Wo sich hier doch noch nicht mal eine griechische Gaststätte halten konnte, nicht mal eine Saison lang?! Und Luffa?! Himmel, was ist denn das überhaupt?«
    Badeschwämme waren das, und die zypriotischen Kürbisse, die indischen Melonen und die exotischen Kräuter

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