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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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Blumen natürlich, die es auf der großen Insel sehr wohl gab, sogar von Nelken und von Rosen ging die Rede. Zornig war sie geworden, weil sie bei ihren gelegentlichen Reisen schöne Dinge erlebte und schon jetzt genau wußte, daß er sie auch diesmal wieder nicht danach fragen würde, nach gar nichts, wie immer. Also machte sie eine abschätzige Handbewegung und sagte irgend etwas, und plötzlich glitzerte es in Jelenas Augen auf, und sie schob Renate einen Zweig in die Hand, der unter Jelenas Blick zu einer biegsamen, effektiven Gerte wurde. Dein Mann, ja? hatte sie gefragt und Renate ermutigt, die Gerte zu benutzen. Renate traute sich nicht, meinte, sich zu irren - da schlug Jelena zu, nicht fest, aber entschlossen. Dein Mann, sagte sie. Das ist für deinen Mann. Renate schlug zurück. Jelena bedeutete ihr, wohin: auf die Rückseite der Oberschenkel, auf den Rücken, das Gesäß. Überall dorthin, wo
man selbst nicht gut hinlangen konnte, überall dahin, wo die Ruten das träge Blut in Gang brachten. Renate schlug zu, und es war zunächst eine Frage. Jelena schlug zurück - eine Antwort. Und noch eine Frage - und wieder eine wissende Entgegnung. Ein Verstehen. Ein Auffangen. Und hin und her, und auf und ab, und dein Mann und meine Verzweiflung und ich und nichts, und wortlos verstanden sich die beiden Fremden, und jede rief in ihrer Muttersprache dazu ihre Wut hinaus: Georg! und: Sigurdis! und etwas, das noch wilder war, kein Name, kein Begriff, eher eine uralte Klage. Die Klage aller Frauen. Es war wie ein Exorzismus, eine tiefe Reinigung, und Renate sollte später feststellen, daß sie von der rüden Behandlung nicht einen einzigen Striemen zurückbehalten hatte. Als sie zu den Männern zurückkehrten, schauten alle auf: So klar, so strahlend hatten sie die beiden Frauen lange nicht gesehen. Und darauf trank man dann den ersten Wodka.
    »Es war eine denkwürdige Feier«, sagte Renate. »Als ich zurück war, habe ich mich scheiden lassen.«
    »Jan ist nämlich Renates zweiter!« erklärte eine der Alten Julia.
    »Eigentlich mein dritter!« korrigierte Renate trocken.
    Julia vermißte plötzlich Hilda. Von ihr hätte sie auch gern eine Geschichte gehört. Aber sich Hilda, diese kühle, korrekte Hilda schwitzend vorzustellen, das war unmöglich!
    »Hast du schön erzählt!« sagte die alte Lisa jetzt zu Renate. »Hast dir deinen Pfeffi verdient!«
    Das war das geheime Zeichen zum Aufbruch. Der dritte Saunagang wurde in geradezu ungebührlicher Hast absolviert, zumal die beiden Alten nicht mehr mitmachten.
    »Das Herz!«
    Die anderen duschten, schwatzend und aufgeregt, ließen noch schnell Renates Thermoskanne kreisen. Der Duft nach Vanille und Kamille machte sich breit: Erika hatte neue Lotionen
für ihren Laden geliefert bekommen und Proben für alle mitgebracht:
    »Sagt nich’ danke, is’ ja gut fürs Geschäft!«
    Das Röhren des billigen Föns an der Wand, quietschende Gummisandalen auf Fliesen, Jeans, Pullover, kunstseidene Tücher und glänzende Gesichter, in denen Augen funkelten. Julia kamen die Frauen plötzlich ganz fremd vor. Fremd - und verwegen. Sie verstand, was Renate in Litauen widerfahren war. Mit diesen Frauen war alles möglich. Lisa war das gemeinsame Bad gut bekommen. Sie hatte sich resolut ein braunes Tuch umgebunden, mit dem sie aussah wie eine Piratin, die auf die nächsten Opfer wartet. Julia wußte, daß die Inselbewohner in früheren Jahrhunderten gefürchtete Räuber gewesen waren, die auf das Stranden eines großen Schiffes hofften: Herr hab Erbarmen mit unserem Strand - so beteten sie in Konkurrenz zum Nachbarflecken, um sich, wenn wieder einmal eine Kogge oder ein kleinerer Segler angetrieben wurde, sogleich mit allzu großer Hilfsbereitschaft auf Mannen und Ladung zu stürzen. Auch dem Heimatmuseum hatte das genützt - Beutekunst auf baltisch.

    Sie tranken Bier, und einige, vor allem die Älteren, bestellten noch ihren Likör dazu, bei dessen Anblick allein es Julia schon schüttelte: Den üblichen Pfeffi nannte sie bei sich »diese Badewannenlauge« und stellte sich das froschgrüne, dickflüssige Gebräu auch noch lauwarm vor, als eine Art Laichwasser, das vielleicht Kaulquappen, auf keinen Fall aber Menschen bekömmlich war... Der am Ort hergestellte Sanddornschnaps wurde offenbar eher aus medizinischen Gründen eingenommen, oder er galt den Frauen als etwas zu Vertrautes. An Abenden wie diesen wollten sie sich etwas Besonderes gönnen, und das mußte etwas Fremdes sein. Pfeffi

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