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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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des Vorraums und der plötzlichen Nüchternheit wieder in die warme, warme Kammer.
    Und dann war Renate an der Reihe zu erzählen.

7
    Renate war mit einer Reihe Kollegen aus der LPG in Litauen gewesen, um dort beim Aufbau einer Schweinemast zu helfen - eigentlich waren sie als Dank für erfolgreich abgeschlossene Geschäfte und auch, weil es sich so gehörte, zu ihrem Geschäftspartner eingeladen worden. Nicht nach Hause, in die kleine Wohnung in der Hauptstadt Wilna, die vollgestellt war mit Andenken aus Rußland, nein, Sigurdis hatte sie gebeten, ihn zu seinen Eltern aufs Land zu begleiten, in die übliche Datscha, wo er gewöhnlich das Wochenende mit seiner Frau und der immens großen Verwandtschaft verbrachte. Renate hatte wenig Lust dazu gehabt, auch deswegen, weil sie natürlich kein Litauisch sprach und nach der Wende erfolgreich darum bemüht gewesen war, ihr ohnehin unzureichendes Russisch schnell zu vergessen. Aber aller höflicher Widerstand war gekonnt ignoriert worden, und so waren sie an einem Dezemberabend in drei, vier schaukelnden Autos hinaus aus der im Frost erstarrten Stadt gefahren. Immer weiter war die Fahrt gegangen, schon lange hatte sie kein Licht mehr gesehen, und daß es hier Bären geben sollte, war auch nicht dazu angetan, Renates Stimmung zu heben. Endlich waren sie in ein kleines, tief verschneites Dorf gelangt, dessen Häuser sich in die Schneeberge zu schmiegen schienen. In den Rauch, der aus den Schornsteinen quoll, mischte sich das Aroma von Kiefern
und Tannen. Nahezu jedes Haus hier verfügte über einen Kamin, und jede Datscha hatte eine Sauna.
    Wie angenehm war die Überraschung, als sie, von Sigurdis geleitet, in das Haus der Eltern traten: In dem niedrigen Holzgebäude - eigentlich war es mehr eine große Hütte - brannte ein Feuer. Der Innenraum war größer als von außen zu vermuten, und in einer Ecke saßen vier Alte und spielten Karten, freundlich, aber eher beiläufig nickend, als die Besucher eintraten. Der lange Holztisch bog sich schier unter der Last der Leckereien, die man zu Ehren der Gäste aufgetragen hatte: Verschiedene Arten von eingelegten Fischen kringelten sich auf bunt bemalten Porzellanplatten, Kaviar in üppiger Menge leuchtete schwarz neben einer Platte mit hartgekochten Eiern, Gurken in verschiedensten Variationen, süßsaurer Paprika und Frischkäse warteten auf Hungrige, der Duft von Silberzwiebeln, der sich im Raum ausbreitete, schien zur Eile zu mahnen. Und links und rechts auf dem Tisch waren etliche Gläser aufgereiht - alles war vorbereitet für ein Fest. Sigurdis’ Frau Jelena zupfte Renate am Ärmel, und plötzlich fand Renate die Sprachschwierigkeiten, die sie ohne Zweifel hatten, nicht mehr so wichtig. Jelena nahm Renate einfach mit, gab ihr ein paar Handtücher und Holzpantinen: Vor dem Essen ging es in die Sauna. Sie stapften durch den nächtlichen Garten, und Renate wäre vor Schreck fast über die Wodkaflaschen gestolpert, die zur Kühlung im Schnee steckten, als ihnen plötzlich aus dem Dunkel ein Mann entgegenkam: Jelenas Bruder, wie diese erklärte, der ihnen Zweige in die Hand drückte.
    Die Sauna dampfte nach russischer Art, sie bot Platz genug für mehrere Personen, und sie roch nach Wald und den Menschen, die im Vorraum ihre winterklammen Kleider zum Trocknen abzulegen pflegten. Außer Jelena und Renate war niemand da. Sie zogen sich aus, hockten sich nebeneinander, versuchten ein Gespräch, stockten, hielten inne.

    Irgendwann fragte Jelena nach Renates Mann, an den auch Renate gerade hatte denken müssen, ihren langweiligen, überkorrekten Biologen, der beim Fischkombinat auf der Nachbarinsel arbeitete und, wenn er am Wochenende endlich nach Hause kam, immer nur die gleichen, unappetitlichen Konserven mitbrachte: Makrelen, angeblich in Tomatensoße, einen lappigen Hering vielleicht, und Renate wußte doch, bei Gott, daß er die Konserven von einer Frau aus der Salzerei bekam, die die halbierten Heringe in einem Garbad zu Rollmöpsen verarbeitete, und in schlechten Nächten bildete sich Renate schon ein, daß er eigentlich nicht nach dem Fisch roch, den er im Labor zu untersuchen hatte, sondern nach der fremden Frau, dieser Rollmopsköchin, von der er nie erzählte, der sie in Gedanken aber schon ein von goldblonden Haaren umrahmtes Gesicht gegeben hatte, ein rundes, ein sattes, zufriedenes Rollmopshurengesicht, während er ihr nie, niemals, nicht einmal aus schlechtem Gewissen, irgend etwas Eigenes geschenkt hätte, auch keine

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