Ostwind (German Edition)
Pferdebetrieb. Aber in ihrem Innersten ahnte sie, dass dieses Gespräch nichts Gutes für das Pferd bedeuten konnte. Umso dringender wollte Mika jetzt mit Fanny sprechen und so machte sie sich auf die Suche nach einem Plätzchen mit Netzempfang. Sie musste reichlich weit laufen. Als sie sich schließlich inmitten einer hohen Wiese auf einen verwitterten Weidezaun setzte und ihr Handy in die Luft hielt, hatte sie Erfolg: ein Netzbalken! Sofort wählte sie die vertraute Nummer. Fanny nahm prompt ab. Auf dem Display zeigte sie ein schnippisches Gesicht. Mika war sofort klar, dass Fanny noch immer enttäuscht war, dass sie nicht mit an die See gefahren war.
»Fanny? Hey! Endlich!«, rief Mika ins Telefon.
»Und, wie ist der Bauernhof von deiner Oma so? Spaß beim Schweinefuttern?«, fragte Fanny.
»Geht so. Ist eigentlich weder ein Bauernhof noch ’ne Oma«, sagte Mika.
»Aha. Aber das da hinter dir, das ist schon dein Opa?«, fragte Fanny.
»Mein was? Wo?« Mika drehte sich verwirrt um. Dabei stieß sie beinahe an die Nasenspitze eines alten Mannes, der sie mit schmalen Augen ansah. Vor Schreck kippte Mika zur Seite. Ihr Handy flog ihr in hohem Bogen aus der Hand.
Bei dem Mann handelte es sich um Herrn Kaan, den Bewohner der Holzlaube. Er war klein, hatte sonnengegerbte Haut und trug einen gebatikten Schal um den Hals.
»Das hier ist keine Telefonzelle – das ist mein Vorgarten«, erklärte er tadelnd.
Mika suchte auf dem Boden nach ihrem Handy.
»Schon gut. Sehen Sie, schon aufgelegt«, sagte sie.
Die Augen des Mannes wurden noch schmaler. Er musterte Mika eindringlich. »Ich kenne dich«, sagte er schließlich.
»Das glaub ich kaum. Und jetzt muss ich dann auch. War mir ein Fest«, erklärte Mika ausweichend. Sie drehte sich um und wollte nur noch eins: nichts wie weg.
Doch der Mann ließ nicht locker. »Hast du nicht was vergessen?«, fragte er und hielt Mikas verbogenes Board hoch.
»Das ist eh nur noch Schrott«, sagte Mika und wollte nach ihrem Kickboard greifen. Doch der Mann zog es wieder zurück.
»Nichts ist so kaputt, dass man es nicht reparieren könnte«, erklärte er.
Mika schaute den schragen Kauz verwundert an. Lieber nicht diskutieren, beschloss sie. »Okay. Ich muss los«, verabschiedete sie sich rasch. Dann rannte sie Richtung Gutshof. Ihr Kickboard ließ sie zurück. Da Fanny eh schlechter Laune war, würde sie einen neuen Platz mit Netzempfang später suchen.
Am Gutshof angekommen, verlangsamte Mika ihren Schritt und spähte vorsichtig um die Ecke. So ein Glück: Die Luft war rein. Doch da pikte sie etwas in den Hintern. Erschrocken machte Mika einen Satz nach vorne. »Aua!!«
Hinter ihr stand Sam. Er hatte eine Mistgabel in der Hand und sah ziemlich sauer aus. »Mann, wo warst du denn?!«
»Och … frische Luft schnappen, Fuße vertreten, Landschaft bewundern …«, erwiderte Mika.
»Sei froh, dass ich dich nicht verpfiffen hab! Wenn ich wegen dir Arger bekomme, dann …«, schimpfte Sam. Mika hätte am liebsten aufgelacht. Einfach lächerlich, so ein Spielverderber! Warum waren hier nur alle so spießig? Als Mika aber sah, dass Sam wirklich wütend war, lenkte sie ein. »Schon gut. Kommt nicht mehr vor. Ehrlich.«
An Sams Blick erkannte sie, dass er ihr nicht recht glaubte. Deshalb wechselte sie schnell das Thema. »Und, was macht man hier immer so?«, fragte sie und schaute sich auf dem Hof um.
Sam sah Mika spöttisch an: »Naja, erst vielleicht ein bisschen Wellness, dann ein paar Runden auf der Indoor-Kartbahn …«
»Echt? Eine Indoor-Kartbahn?«, freute sich Mika.
Sam verdrehte die Augen und druckte ihr die Mistgabel in die Hand. Sollte dieses Mädchen doch mal sehen, was man »hier so machte«!
Und so sah sich Mika im Rahmen von Sams Beschäftigungsprogramm keine zwei Minuten später stinkende Pferdeäpfel auf eine Schubkarre schippen. Eine anstrengende Arbeit. Schon nach kurzer Zeit tat ihr der Rücken weh. Ein Katzenklo war definitiv leichter zu reinigen.
Ein paar Schritte weiter waren gleich mehrere Pferdemädchen mit sehr viel angenehmerer Arbeit beschäftigt: der Pflege von Weingraf. Ein Mädchen trenste, das andere bürstete. Das dritte Mädchen, Tinka, hob den Huf des Pferdes und kratzte ihn aus. Allerdings schwankte sie bedrohlich unter Weingrafs beträchtlichem Gewicht.
Endlich erschien auch Michelle in voller Reitmontur. »Wenn ich nur wusste, was er hat. So lahmarschig wie der momentan ist. Bis zu den Classics muss ich ihm das austreiben«, sagte sie zu
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