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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Einhalt gebieten können, aber die bittere Wahrheit ist, daß ihnen die Griqua vielversprechender erschienen als die Buschleute. Das war die Zeit, in der man mit einem Tropfen Weißenblut besser war als mit gar keinem – aber immer noch nicht mit einem Weißen zu vergleichen.« Sie lächelte wieder, eher traurig diesmal. »Erinnert dein Volk sich mit Haß an die Griqua, !Xabbu ? Oder bist du aus einem ganz anderen Teil des Landes?«
    Der kleine Mann blickte sich zu ihr um. »Entschuldigung, ich habe nicht richtig zugehört.«
    Susan sah ihn durchdringend an. »Aha. Du hast mein Bild gesehen.«
    Er nickte. Renie drehte sich, um zu sehen, worüber sie redeten. Was sie lediglich für einen Wandbildschirm über dem Kamin gehalten hatte, war in Wirklichkeit ein auf fast drei Meter Breite vergrößertes Foto, größer als alle, die sie je vor einem Museum gesehen hatte. Es zeigte eine Malerei auf einer natürlichen Felswand, ein einfaches und elegantes naives Kunstwerk. Mit wenigen Strichen war darauf eine Gazelle skizziert, zu deren beiden Seiten eine Gruppe Menschen tanzte. Der Felsen schien im Sonnenuntergangslicht zu glühen. Die Farbe wirkte beinahe frisch, aber Renie wußte, daß das nicht stimmte.
    !Xabbu starrte das Bild wieder an. Er hielt seine Schultern merkwürdig, so als ob ihn etwas beschleichen könnte, aber seine Augen drückten Staunen und nicht Furcht aus.
    »Weißt du, wo es her ist?« fragte Susan ihn.
    »Nein. Aber ich weiß, daß es alt ist, aus der Zeit, als die Buschleute die einzigen Menschen in diesem Land waren.« Er streckte eine Hand aus, wie um es zu berühren, obwohl es gute drei Meter von der Couch entfernt war, auf der er saß. »Es ist ein gewaltiger Anblick.« Er zögerte. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich froh darüber bin, es bei jemand zuhause zu sehen.«
    Susan runzelte die Stirn und ließ sich mit der Antwort Zeit. »Meinst du damit, bei jemand Weißem zuhause? Nein, schon gut. Ich verstehe – oder ich bilde es mir jedenfalls ein. Ich will damit niemanden beleidigen. Es hat für mich keine religiöse Bedeutung, aber ich finde es sehr schön. Ich würde sagen, es besitzt einen spirituellen Wert für mich, wenn sich das nicht zu vermessen anhört.« Sie blickte das Foto an, als sähe sie es mit neuen Augen. »Das Bild selbst, das Original, befindet sich immer noch an einer Felswand am Giant’s Castle in den Drakensbergen. Stört dich der Anblick, !Xabbu ? Ich kann Jeremiah bitten, es abzunehmen. Er hat die nächsten paar Stunden sonst nicht viel zu tun, aber sein Gehalt kriegt er trotzdem.«
    Der kleine Mann schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nötig. Als ich sagte, es sei mir nicht geheuer, meinte ich damit meine eigenen Gedanken, meine eigenen Gefühle. Renie weiß, daß ich mir viel über mein Volk und seine Vergangenheit den Kopf zerbreche.« Er lächelte. »Auch über seine Zukunft. Vielleicht ist es besser, wenn einige Leute es wenigstens hier sehen können. Vielleicht werden sie sich erinnern … oder sich wenigstens wünschen, sie könnten sich erinnern.«
    Alle drei tranken eine Weile schweigend ihren Kaffee und betrachteten die springende Gazelle und die Tänzer.
    »Gut«, sagte Susan Van Bleeck schließlich. »Wenn du mir noch etwas zeigen willst, Irene, dann solltest du das jetzt tun, oder wir kommen zu spät zum Mittagessen. Jeremiah hat es nicht gern, wenn sich an den festen Zeiten etwas ändert.«
    Renie hatte am Telefon nicht viel erklärt. Als sie jetzt anfing, von der geheimnisvollen Datei zu erzählen, merkte sie, daß sie mehr preisgab, als sie vorgehabt hatte. Susan, die den Zusammenhang verstehen wollte, stellte Fragen, auf die sich nur schwer Teilantworten geben ließen, und Renie mußte bald feststellen, daß sie ihrer alten Professorin fast alles gesagt hatte außer dem Namen des Online-Clubs und dem Grund, aus dem sie ihn überhaupt aufgesucht hatten.
    Alte Gewohnheiten sind nicht totzukriegen, dachte Renie. Susan schaute sie mit wachen Augen erwartungsvoll an, und man konnte auf einmal nicht nur die ungemein beeindruckende Frau sehen, die sie gewesen war, als Renie sie kennengelernt hatte, sondern auch das scharfsinnige und scharfzüngige Mädchen, das sie vor mehr als einem halben Jahrhundert gewesen war. Ich konnte ihr noch nie irgendwas vorschwindeln.
    »Aber warum in Gottes Namen sollten irgendwelche Leute ein derartiges Sicherheitssystem haben? Was um alles in der Welt könnten sie schützen wollen?« Unter Susans scharfem Blick war Renie

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