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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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waren.
    »O mein Gott, was ist passiert?« Renie war ein wenig schockiert. Susan Van Bleeck sah … alt aus, richtig alt. Sie war schon Ende sechzig gewesen, als Renie bei ihr studiert hatte, so daß es nicht total überraschend kam, aber es war dennoch beängstigend zu sehen, was nur zwei Jahre mehr ausmachten.
    »Es ist nicht auf Dauer – na ja, das ist eine gefährliche Behauptung in meinem Alter. Die Hüfte habe ich mir gebrochen, das ist passiert. Alle Kalziumzusätze der Welt helfen einem nicht, wenn man mit dem Hintern zuerst die Treppe runtersegelt.« Sie blickte an Renie vorbei. »Und das ist dein Freund, den du mitbringen wolltest, stimmt’s?«
    »Oh, natürlich, das ist !Xabbu . !Xabbu , darf ich dir Doktor Van Bleeck vorstellen?«
    Der kleine Mann nickte und lächelte ernst, als er ihr die Hand reichte. Dako, der wieder aufgetaucht war, nachdem er den Wagen an einer Seite der Auffahrt geparkt hatte, murmelte im Vorbeigehen etwas, anscheinend zu sich selbst.
    »Ich hatte gehofft, wir könnten draußen sitzen«, sagte ihre Gastgeberin mit einem Stirnrunzeln gegen den Himmel. »Aber natürlich ist das Wetter wieder scheußlich.« Sie deutete mit ihrer zierlichen Hand auf die höhlenartige Veranda. »Ihr wißt ja, wie wir Afrikaander sind – immer draußen auf der Stoep. Aber es ist einfach zu kalt. Übrigens, junger Mann, ich hoffe, du hast nicht vor, den ganzen Tag ›Doktor Van Bleeck‹ zu mir zu sagen. ›Susan‹ tut’s völlig.« Sie zog die Decke weg und reichte sie !Xabbu , der sie entgegennahm, als wäre sie ein Ritualgewand. Daraufhin drehte sie den Rollstuhl zur Tür um, soweit Renie sehen konnte, ohne eine Steuerung zu betätigen, und fuhr damit über eine an die Schwelle angebaute Rampe ins Haus.
    Renie und !Xabbu folgten ihr den breiten Flur entlang. Die Räder machten quietschende Geräusche auf den blanken Holzdielen, als Susan Van Bleeck abbog und vor ihnen ins Wohnzimmer rollte.
    »Wie funktioniert das Gerät?« fragte Renie.
    Susan lächelte. »Raffiniert, nicht wahr? Eine ziemlich pfiffige Konstruktion. Man kann welche kriegen, die direkt von einem Nebenschluß aus gesteuert werden, aber das kam mir ein wenig heftig vor – schließlich will ich irgendwann aus dem verdammten Ding wieder raus. Der hier läuft einfach über Hautkontaktsensoren, die meine Beinmuskelaktivität messen. Ich spanne an, er läuft. Anfangs mußte es die altmodische, manuell betriebene Art sein, damit der Knochen verheilen konnte, aber jetzt kann ich dieses Modell als eine Form von Physiotherapie benutzen – Beinmuskeln trainieren und so.« Sie deutete auf die Couch. »Setzt euch doch. Jeremiah wird uns gleich Kaffee bringen.«
    »Ich muß gestehen, ich war überrascht, als ich hörte, du wärst immer noch an der Universität«, sagte Renie.
    Susan zog eine Grimasse wie ein Kind, das zum erstenmal Spinat probiert. »Herrje, was bleibt mir denn übrig? Nicht daß ich oft reinfahren würde – ungefähr einmal im Monat zu meiner ›Sprechstunde‹, wie es euphemistisch heißt. In der Hauptsache mache ich die Beratungstätigkeit direkt von hier aus. Aber ab und an muß ich einfach raus hier. Einsamkeit halte ich nur in Maßen aus, und wie ihr vielleicht bemerkt habt, ist Jeremiah nicht gerade der Gesprächigste.«
    Wie vom Klang seines Namens herbeigezaubert, erschien Dako mit einem Tablett in der Tür, auf dem ein Kaffeegeschirr und eine Cafetiere standen. Er stellte es ab und drückte den Stempel herunter – die Vorliebe der Frau Doktor für moderne Technik erstreckte sich offenbar nicht auf die Kaffeebereitung –, dann verließ er das Zimmer, aber nicht ohne !Xabbu erneut einen merkwürdigen und leicht verstohlenen Blick zuzuwerfen. Der Buschmann, der die vielen Gemälde und Plastiken im Zimmer anschaute, schien es nicht zu bemerken.
    »Er starrt ihn ständig an«, sagte Renie. »Den ganzen Weg den Hügel hinauf hat er !Xabbu immer wieder im Rückspiegel betrachtet.«
    »Tja, vielleicht hat er einen Narren an ihm gefressen«, sagte Susan lächelnd, »aber ich vermute eher, daß ihn ein wenig das schlechte Gewissen plagt.«
    Renie schüttelte den Kopf. »Wie meinst du das?«
    »Jeremiah ist ein Griqua, ein Mischling, wie man in der schlechten alten Zeit dazu sagte, obwohl er so schwarz ist, schwärzer geht’s kaum. Vor ein paar hundert Jahren vertrieben sie die Buschleute aus diesem Teil von Südafrika. Mit Gewalt. Mit Greueltaten. Es war eine schreckliche Zeit. Ich denke, die Weißen hätten wirksamer

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