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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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konnte nicht genau sagen, woher sie das wußte, aber sie wußte es. Wenn es ein statisches Foto gewesen wäre wie Susans Felsmalerei, hätte man es schwer entscheiden können. Aber wenn Bewegung hinzukam, wuchs die Menge der an das Auge – und das Gehirn – übermittelten Information exponentiell; selbst die besten Trickspezialisten fanden es schwerer, bewegte Objekte zu synthetisieren. Renie war noch nicht so lange in der VR-Branche wie Susan, aber sie hatte gute Augen, bessere als die meisten Leute. Sogar in Mister J’s, wo zweifellos auf dem höchsten technischen Niveau gearbeitet wurde, hatte sie ganz leichte Fehler in der Koordination und der Bewegungssimulation entdecken können. Aber diese Stadt der goldenen Türme, der flatternden Fahnen und der Schwebebahnen hatte keine solchen Schwächen.
    »Ich glaube, ich habe das irgendwo schon einmal gesehen«, sagte !Xabbu . »Es ist wie ein Traum.«
    Susan nahm ihre Squeezer und machte ein paar Bewegungen. »Es läuft einfach automatisch ab. Ich kann keinerlei daran gekoppelte Mitteilungen finden.« Sie legte die Stirn in Falten. »Ich werde kurz mal…«
    Das Bild verschwand. Einen Moment lang wurde der ganze Monitor dunkel, dann ging ein flackernder Pixelsturm darüber hinweg, und der Bildschirm war wieder an.
    »Was hast du gemacht?« Renie mußte weggucken – das flirrende, blitzende Licht erinnerte sie an ihre letzte qualvolle Stunde im Club.
    »Nichts. Das verdammte Ding hat sich einfach abgeschaltet.« Susan machte einen Warmstart, und das System lief an, als ob alles normal wäre. »Es ist weg.«
    »Es hat sich abgeschaltet?«
    »Es ist weg. Weg! Spurlos verschwunden.«
    Zehn Minuten später ließ Susan ihre Squeezer abermals sinken und fuhr mit dem Rollstuhl vom Monitor zurück. Sie hatte sowohl ihren Computer als auch Renies Pad gewissenhaft durchsucht und nicht das geringste gefunden. »Mir tun die Augen weh«, sagte sie. »Willst du mal ran?«
    »Ich wüßte nicht, was du noch nicht versucht hättest. Wie konnte es einfach verschwinden?«
    »Eine Art Autophage. Frißt sich selbst nach dem Abspielen. Jetzt ist nichts mehr übrig.«
    »Also das Bild einer Stadt, mehr war’s nicht.« Renie war deprimiert. »Wir wissen nicht warum. Und jetzt haben wir nicht einmal mehr das.«
    »Ah, natürlich! Das hätte ich fast vergessen.« Susan fuhr den Stuhl wieder dicht an den Bildschirm heran. »Ich war gerade dabei, eine Displayaufzeichnung zu erstellen, als das Ding puff machte – schauen wir mal, was draus geworden ist.« Sie gab dem Apparat eine Suchanweisung. Kurz darauf erschien ein goldverschleiertes abstraktes Bild auf dem Monitor. »Wir haben es!« Susan kniff die Augen zusammen. »Kak. Als ich den Schnappschuß machte, wurde gerade schon die Auflösung schlecht. Um feine Details zu erkennen, sind meine Augen nicht besonders geeignet, Irene. Kannst du überhaupt etwas darauf erkennen, oder sind es bloß wahllose bunte Pixels?«
    »Ich glaube ja.«
    »Da ist ein Turm«, sagte !Xabbu langsam. »Da.«
    »Stimmt. Dann müssen wir es auf das Hauptsystem übertragen. Da ich es selbst aufgezeichnet habe, nehmen wir mal an, daß es unbewegt und folglich ungefährlich ist – obwohl diese ganze Geschichte so merkwürdig ist, daß ich von gar nichts mehr völlig überzeugt bin. Ach, sei’s drum.« Sie führte einen kurzen Dialog mit dem hausinternen Schaltnetz; wenige Minuten später blickten sie wieder auf den goldenen Nebel, der sich jetzt mehrere Meter breit über den Wandbildschirm im Labor erstreckte.
    »Ich habe ein Bildoptimierungsgear, das uns helfen könnte«, sagte sie. »Es kann ja schon mal mit den Vorarbeiten anfangen, während wir beim Essen sind – die Signale entstören, möglichst weit vor die Verschlechterung der Bildqualität zurückgehen. Kommt. Jeremiah ist wahrscheinlich schon auf hundertachtzig.«
    » !Xabbu ?« Renie legte ihm die Hand auf die Schulter. Der Buschmann schien sich von dem Bild an der Wand überhaupt nicht losreißen zu können. »Alles in Ordnung?«
    »Selbst so, in dieser entstellten Form, kommt es mir immer noch bekannt vor.« Er starrte die formlosen Wischer aus Bernstein-, Gold- und Sahnegelb an. »Ich habe das irgendwo schon einmal gesehen, aber es ist weniger ein Erinnerungsbild als ein Gefühl.«
    Renie zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Gehen wir essen. Vielleicht fällt’s dir wieder ein.«
    Er folgte ihr fast widerstrebend und blieb noch ein letztes Mal in der Fahrstuhltür stehen, um

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