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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hinunter. Der Argentinier hatte sich in bezug auf die Luftgottsache zu einer totalen Nervensäge entwickelt, weil sie seiner Meinung nach auf seinem Territorium stattfand, und gab in einem fort schlechte Ratschläge und wertlose persönliche Empfehlungen ab. Dennoch war Osiris ganz bewußt bestrebt gewesen, dankbar für diese ganze Hilfe zu erscheinen. Eine Stimme war immerhin eine Stimme.
    »Zum großen Teil dank deiner hilfreichen Beratung, Ricardo, läuft alles sehr gut. Ich rechne noch vor Ablauf der Sitzung mit einer aktualisierten Meldung und würde daher gern eine eingehendere Behandlung bis dahin aufschieben – wenn dir das recht wäre …?«
    »Selbstverständlich, Herr Vorsitzender.« Der Käfermann verbeugte sich und nahm wieder Platz.
    Osiris beobachtete Ptah und Horus, die sich sehr still hielten. Er vermutete, daß die Amerikaner noch einen kleinen Gedankenaustausch auf dem Nebenkanal führten, und fragte sich, was sie wohl dazu bewogen hatte, in diesem Fall so eifrig auf die Vorverlegung der monatlichen Sitzung zu drängen.
    Die normalen Tagesordnungspunkte waren rasch abgehakt – Organisierung eines Konsortiums, um besser bestimmte UN-Beschränkungen der Umladung von Edelmetallen umgehen zu können; Ankauf eines frisch privatisierten Verteilernetzes in Westafrika zu einem Vorzugspreis; Bestechung oder Beseitigung einiger Zeugen in einem indischen Gerichtsverfahren. Osiris kam schon der Gedanke, er könnte seine amerikanischen Rivalen überschätzt haben. Er rechnete jederzeit mit positiven Meldungen aus Kolumbien und überlegte sich gerade, wie die Ankündigung wohl am besten zu inszenieren sei, als der gelbgesichtige Ptah abrupt aufstand.
    »Bevor wir zum Ende kommen, Vorsitzender, gibt es noch eine Sache.«
    Der Gott versteifte sich kurz und praktisch unmerklich. »Ja?«
    »Auf der letzten Sitzung hatten wir ein Gespräch über die verschollene Versuchsperson, wenn du dich vielleicht erinnerst, den Mann, der irgendwie innerhalb des Gralssystems verschwand. Wir sind intern bei TMX auf einiges gestoßen, und deshalb dachten wir, es wäre vielleicht angebracht, daß du uns erzählst, wie deine Untersuchung des Vorfalls vorankommt.« Sein Lächeln war dünnlippig, aber breit. »Auf diese Weise wird die Bruderschaft auf den neuesten Stand gebracht, und wir können notwendige Informationen austauschen.«
    Aha. Der Draht war jetzt zu erkennen, was bedeutete, daß Wells und Yacoubian die Falle für unentrinnbar halten mußten. Osiris ging innerlich rasch die jüngsten Entwicklungen durch, von denen es wenige gab. Worauf zielten sie ab?
    »Ich habe Agenten innerhalb des Systems an die Arbeit gesetzt, wie ihr wißt«, sagte er. »Sie haben einige unvollständige Identifizierungen vorgenommen, von denen allerdings leider keine für eine Wiederauffindung ausreichte. Wahrscheinlich waren sie bloß Häufungen statistischer Ähnlichkeiten.« Er drehte sich leicht, um vor allem Thot, Sachmet und den Rest des asiatischen Kontingents anzusprechen: Osiris wußte, daß die Asiaten persönliche Garantien schätzten. »Dennoch bin ich der festen Überzeugung – der festen Überzeugung –, daß wir in nicht allzu langer Zeit Ergebnisse in der Hand haben werden.« Er wandte sich wieder Ptah zu, wobei er seine Hände ausbreitete wie ein Vater, der sich über seine jungen und übereifrigen Söhne mokiert. »So, und was hast du dem hinzuzufügen?«
    »Während einer TMX-Sicherheitskontrolle – aus einem völlig anderen Anlaß übrigens – stießen wir auf einige Anomalien in den Zugriffsprotokollen des Gralsprojekts. Einfach ausgedrückt, es hat inkorrekte Zugriffe gegeben.« Ptah sprach das gewichtig aus und wurde mit entsprechenden Tönen der Besorgnis von den Anwesenden belohnt. »Bitte beachtet, daß ich ›inkorrekt‹ sage und nicht ›unbefugt‹. Ja, natürlich seid ihr alle schockiert. Das ist gut so. Unser Vorsitzender wird mir beipflichten, wenn ich sage, daß die Energien und Gelder, die in den Schutz des Gralsprojekts geflossen sind, von seiner Geheimhaltung ganz zu schweigen, immens waren – so daß wir es für absolut sicher hielten.«
    Osiris blieb still. Ihm gefiel die Richtung nicht, die die Sache nahm. Wenn Wells vor der versammelten Elite der Bruderschaft eine Sicherheitspanne in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich zugab, dann mußte er meinen, etwas in der Hand zu haben, woraus er Kapital schlagen konnte – ansonsten hätte er es einfach begraben. Die entkommene Versuchsperson interessierte

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