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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gehen, ohne ein Ziel der Suche zu haben.«
    »Ich war auf das hier nicht vorbereitet.« Sellars holte bebend Atem; seine formlose Gestalt schien regelrecht einzufallen. »Es gibt einen Mann namens Jonas. Er war ein Gefangener der Gralsbruderschaft, die sein Bewußtsein in einer Simulation festhielt. Es gelang mir, ihn in seinen Träumen zu erreichen. Ich verhalf ihm zur Flucht. Sucht nach ihm.«
    »Nach irgend’nem seyi-lo Netzheini solln wir rumschnüffeln?« Der Kampfroboter fuchtelte mit den Armen, daß die scharfen Klingen an den Gelenken blitzten. »Während die uns abmurksen wollen? Du cräshst echt trans !«
    »Nicht zu glauben, daß ich mit diesem Blechjüngling hier was gemeinsam haben soll«, sagte Sweet William mit einem Anflug von Panik in der Stimme, »aber ich muß ihm recht geben. Wovon redest du eigentlich?«
    Sellars hob abermals beide Arme hoch. »Jonas weiß etwas – er muß etwas wissen! Die Bruderschaft hätte ihn längst umgebracht, wenn er nicht wichtig wäre. Findet ihn! Los jetzt!«
    Der Chor der Fragen erhob sich erneut, aber Sellars’ Sim leuchtete jäh auf und verschwand.
    Fredericks schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Das ist fürchterlich – wie ’ne Geschichte, in der alles schlecht ausgeht.«
    »Wir müssen los.« Orlando faßte den Arm seines Freundes. »Komm – was haben wir für eine Wahl?« Er sah, daß Nofretete und der Affe ihrer Freundin auf die Füße halfen. »Wir gehen mit ihnen.« Er stand auf, aber brauchte einen Moment, um sicher zu sein, daß er sich auf den Beinen halten konnte. Das Fieber hatte ein wenig nachgelassen; er fühlte sich schwach, aber sein Kopf war klarer. »Wir gehen zum Schiff, wie Sellars gesagt hat.« Orlando erhob seine Stimme. »Ihr andern könnt machen, was ihr wollt. Aber ich würde nicht hierbleiben, solange sie mich noch nicht aufgespürt haben. Also wer mitkommt, soll mir folgen.«
    Sweet William schlug sich seinen Umhang über die Schulter. »Oi, Herzblättchen, wer hat dich denn zum Kronprinz gekürt?«
    Der Affe war wieder auf den Tisch gehopst. »Die Zeit für Debatten ist um«, sagte er. »Dieser Mann hat recht – kommt mit oder bleibt hier.«
    »Wir können nicht einfach hier rausstürmen.« Nofretete runzelte die Stirn. »Wenn wir das tun, werden sie hier drin nachforschen kommen.«
    »Nachforschen?« Die Frau auf der anderen Tischseite hatte einen leicht schrillen Ton. »Sie forschen doch schon nach uns – das hat er eben erklärt.«
    »Ich meine die Leute hier«, sagte Nofretete. »Draußen in der realen Welt hat die Bruderschaft, oder wer auch immer, Atasco kaltgestellt.
    Aber hier drin wissen die Bürger von Temilún nicht, daß sie nicht real sind, und es kümmert sie überhaupt nicht, was im RL passiert. Sie meinen, wir hätten eine Unterredung oder sonstwas mit ihrem König. Wenn wir rauspreschen wie auf der Flucht, schaffen wir es nie bis zum Hafen.«
    Orlando nickte langsam, und seine ursprüngliche hohe Meinung von ihr kletterte noch eins höher. »Versteckt den Körper«, sagte er. »Beide Körper.«
    Es dauerte eine ganze Weile, denn in der Simulation hatten die verlassenen Sims die Schwere und Sperrigkeit von Leichen – von Leichen in fortgeschrittener Totenstarre, wie Orlando feststellte, während er half, Frau Atasco vom Fleck zu bewegen, deren eckige Sitzhaltung die Aufgabe noch erschwerte. Das bißchen Kraft, das er noch besaß, schwand beim Herumzerren der Körper rasch dahin, und er hatte keine Ahnung, wie weit sie zu gehen hatten. Er trat seine Position als Adhoc-Leichenträger an Fredericks ab und beteiligte sich dafür an der Suche nach einem geeigneten Versteck. Der Pavian entdeckte hinter einem Wandschirm einen kleinen Vorraum, und die übrigen verfrachteten dankbar die Sims der Atascos hinein.
    Trotz Sweet Williams offensichtlichem Mißfallen schloß sich die Schar Orlando und Nofretete an. »Verhaltet euch jetzt ruhig!« sagte die hochgewachsene Frau, als sie an die Tür kamen.
    Die Wachen traten zurück, als die Gäste hinausdefilierten. Orlando vermerkte anerkennend, daß Fredericks bei aller Niedergeschlagenheit eine starre, undurchdringliche Miene bewahrte. Einige der anderen jedoch konnten ihre Furcht weniger gut verbergen, und die scharfen Blicke der Wachen aus nächster Nähe taten ein Übriges. Jemand hinter Orlando versuchte, ein Schluchzen zu unterdrücken, und auch die Wachen hörten es, denn ihre Köpfe fuhren herum und hielten Ausschau nach der Herkunft des Geräuschs.
    Orlando trat auf

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