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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gegenüber war jetzt nur noch ein dunkler Fleck in weiter Ferne, und der Vorraum selbst schien sich mit Nebel zu füllen, als ob die Wolken von außen hereintrieben. Er drehte sich um und sah die Tür, auf die er zugegangen war, jetzt unmittelbar vor sich aufragen. Kaum hatte er sie berührt, schwang sie auch schon auf, und er trat hindurch.
    Und befand sich in einem Dschungel.
    Aber es war kein richtiger Dschungel, erkannte er gleich darauf. Die Vegetation war überall dicht, aber zwischen den herabhängenden Lianen und langen Blättern hindurch erspähte er schattenhafte Mauern; Rundbogenfenster hoch oben in diesen Mauern gewährten Durchblick auf einen Himmel mit dahinjagenden Sturmwolken – einen ganz anderen Himmel als den blauen Schild, den er vor dem Eingangstor hinter sich gelassen hatte. Der Dschungel war überall, aber Paul war trotzdem noch innerhalb des Schlosses, auch wenn das Außen hier ganz anders aussah.
    Dieser Raum war noch größer als der riesige Eingangssaal. Ganz oben, hoch über den nickenden, giftig wirkenden Blumen und dem grünen Gewucher, erstreckte sich eine mit komplizierten Winkelmustern aus schimmerndem Gold überzogene Decke, die einem juwelbesetzten Lageplan eines Labyrinths glich.
    Eine andere Erinnerung trieb nach oben, angestoßen vom Geruch und der feuchtwarmen Luft. Einen solchen Ort nannte man … nannte man … ein Gewächshaus. Es war ein Ort, wo Sachen gezogen wurden, erinnerte er sich dunkel, wo Sachen wuchsen, wo Geheimnisse verborgen waren.
    Er schob die klebrigen Wedel einer langblättrigen Pflanze aus dem Weg und trat vor, aber plötzlich mußte er heftig mit den Armen rudern, um nicht in einen Teich zu plumpsen, den die Pflanze verborgen hatte. Scharen winziger Fische, knallrot wie im Ofen erhitzte Pennys, schossen aufgeschreckt davon.
    Er drehte sich um und ging am Rand des Teiches entlang, um einen Fußpfad zu finden. Die Pflanzen waren staubig. Während er sich durch das dickste Gestrüpp arbeitete, stoben pulverige Wolken in das schräg durch die hohen Fenster fallende Licht, wirbelnde Schwebeteilchen aus Silber und Glimmer. Er stutzte und wartete, daß der Staub sich legte. In der Stille drang ein leiser Ton an sein Ohr. Jemand weinte.
    Er streckte beide Hände in die Höhe und schob das Laub auseinander, als ob es Vorhänge wären. Von üppigen Pflanzen eingefaßt stand vor ihm ein großer glockenförmiger Käfig, dessen schlanke goldene Stäbe so dicht von blühenden Ranken umwunden waren, daß man kaum sah, was darin war. Paul trat näher, und im Innern des Käfigs bewegte sich etwas. Er blieb wie angewurzelt stehen.
    Es war eine Frau. Es war ein Vogel.
    Es war eine Frau.
    Sie drehte sich um; ihre weit aufgerissenen schwarzen Augen waren feucht. Ein großer Schwall dunkler Haare umrahmte ihr langes Gesicht und ergoß sich über ihren Rücken, wo er mit dem Lila und schillernden Grün ihres seltsamen Kostüms verschmolz. Aber es war kein Kostüm. Sie war in Federn gehüllt; unter ihren Armen waren lange Schwingen fächerförmig eingefaltet. Flügel.
    »Wer da?« rief sie.
    Es war natürlich alles ein Traum – vielleicht nur die letzten Halluzinationen kurz vor dem Tod auf dem Schlachtfeld –, aber als ihre Stimme in ihn einsickerte und sich in ihm niederließ wie etwas, das sein Zuhause gefunden hatte, wußte er, daß er ihren Klang nie vergessen würde. Entschlossenheit und Leid und ein Anflug von Wahnsinn lagen darin, alles in diesen zwei Worten. Er trat vor.
    Ihre großen runden Augen wurden noch weiter. »Wer bist du? Du gehörst nicht hierher.«
    Paul starrte sie an, obwohl er sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, daß er sie damit kränkte, so als ob ihre befiederten Gliedmaßen eine Art Mißbildung wären. Vielleicht waren sie das. Oder vielleicht war an diesem merkwürdigen Ort er der Mißgebildete.
    »Bist du ein Geist?« fragte sie. »Wenn ja, vergeude ich bloß meinen Atem. Aber du siehst nicht wie ein Geist aus.«
    »Ich weiß nicht, was ich bin.« Sein trockener Mund machte Paul das Sprechen schwer. »Ich weiß auch nicht, wo ich bin. Aber ich fühle mich nicht wie ein Geist.«
    »Du kannst reden!« Sie war so bestürzt, daß Paul Angst hatte, etwas Schreckliches getan zu haben. »Du gehörst nicht hierher!«
    »Warum weinst du? Kann ich dir helfen?«
    »Du mußt verschwinden. Unbedingt! Der Alte Mann wird bald zurücksein.« Ihre aufgeregten Bewegungen erfüllten den Raum mit leisem Rascheln. Noch mehr Staub wirbelte in die Luft.
    »Wer ist

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