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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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verschwörerischem Flüsterton. »Nillewicht grallewa-dellewe saullewau-bellewer, wenn du verstehst, was wir damit andeuten wollen.«
    Starke Marke beugte sich vor. »Wohin sie fahren?«
    Die Mäuse steckten die Köpfe zusammen und ergingen sich länglich in einer leisen, aber lebhaften Diskussion. Zuletzt drehten sie sich wieder um, breiteten die Arme aus und schleuderten revuemäßig die Beine in die Luft, wobei sie die Flasche mit Reinigungsmittel weiter munter unter sich kreisen ließen – eine sehr gute Nummer, mußte sogar Fredericks später zugeben.
     
»An den Ufern von Gitschi-Gumi
    Lebt es sich vielleicht frei und frank«,
     
    sangen sie,
     
»Doch bloß Hiawatha dort ›Hi!‹ zu sagen,
    Lohnt die Fahrt nicht – vielen Dank.
    Der Ort, den ihr sucht, ist näher -
    Schiebt es nicht auf die lange Bank!
    Die Kidnapper kannten
    Ihn aus alten Atlanten:
    Den berühmten Eisigen Schrank.«
     
    Die Maus mit dem Blechbecher schwenkte diesen im Kreis und fügte hinzu: »Nicht vergessen – der Frühling kommt bald! Höchste Zeit, die ganze Küche blütenfrisch zu wischen!« Dann schmiß das Trio die rosa Pfötchen so schnell, daß die Flasche sich längs drehte, bis die Kappe vom Kanu wegdeutete. Als die Strömung die Mäuse davontrug, fiel Orlando erst auf, daß keine von ihnen einen Schwanz hatte.
    Wenig später waren sie wieder im Nebel verschwunden, doch ihre hohen Stimmen, die jetzt eine neue Hymne zum Lob von Muskelschmalz und blitzblanken Küchentresen sangen, drangen ihnen noch eine ganze Weile ans Ohr.
    »Richtig, die Farmersfrau mit dem Tranchiermesser«, murmelte Orlando, als ihm das alte Kinderlied wieder einfiel. »Die armen kleinen Kerlchen.«
    »Was brabbelst du da?« Fredericks sah ihn stirnrunzelnd an, doch plötzlich rief er: »He, wo fahren wir hin?«, als der Häuptling anfing, mit neuem und sogar vermehrtem Elan auf das unerforschte andere Ufer zuzupaddeln.
    »Zum Eisschrank«, erklärte die Landschildkröte. »Er liegt nahe dem hinteren Ende der Küche und ist ein sagenumwobener Ort. Viele Geschichten erzählen sogar, daß irgendwo in seinem Innern ›Schläfer‹ liegen – Wesen, die schon genauso lange da sind wie die Küche selbst, aber in immerwährendem Schlummer, und die ihre kalten Träume bis ans Ende der Zeit träumen werden, sofern sie ungestört bleiben. Manchmal sagen diese Schläfer, ohne je wach zu werden, einem Glücklichen oder Unglücklichen, der in ihre Nähe kommt, die Zukunft voraus oder beantworten Fragen, die ansonsten ungelöst blieben.«
    »Böse Männer nicht suchen Schläfer«, sagte der Häuptling, der jetzt in jeden Paddelschlag sein ganzes Gewicht legte. »Sie wollen Gold.«
    »Ah, ja.« Die Landschildkröte legte einen Stummelfinger an ihren stumpfen Schnabel und nickte. »Sie haben die Gerüchte gehört, daß einer der Käufer einen geheimen Goldschatz im Eisschrank deponiert habe. Kann sein, daß das bloß ein Märchen ist, denn niemand, den ich kenne, hat jemals einen der Käufer gesehen. Angeblich sind sie gottgleiche Riesen, die nur in die Küche kommen, wenn die Nacht vorbei ist und wenn alle, die hier wohnen, so tief und fest schlafen wie die in den tiefsten Tiefen des Eisschranks. Aber ob das Gold nun ein Mythos oder die Wahrheit ist, diese bösen Männer glauben ganz offenbar daran.«
    »Sag mal, Gardino«, flüsterte Fredericks. »Was genau ist eigentlich ein Eisschrank?«
    »Ich glaube, so wurden früher Kühlschränke genannt.«
    Fredericks starrte Häuptling Starke Marke an, der mit unermüdlichen automatenhaften Paddelschlägen die Fährte seines entführten Sohnes verfolgte. »Scän, scän, scän«, sagte er kopfschüttelnd. »Scän, scän und nochmal scän.«
     
    Mindestens eine weitere Stunde schien zu vergehen, ehe sie Land erreichten – oder Fußboden, vermutete Orlando. Die Größe des Flusses war zweifellos in keiner Weise maßstabsgetreu; gemessen an den Dimensionen des Spülbeckens und der Arbeitsflächen, die sie bereits gesehen hatten, hätte die Küche in der wirklichen Welt viele hundert Meter lang sein müssen, um den Schauplatz für so eine ausgedehnte Flußfahrt abgeben zu können. Aber er wußte, daß es keinen Zweck hatte, zuviel darüber nachzudenken – auf die Küche, begriff er, ließen sich solche analytischen Überlegungen nicht anwenden.
    Der Anlegeplatz, den der Häuptling sich ausgesucht hatte, war eine kleine trockene Stelle in Form einer Landzunge am Fuß eines gewaltigen Beines, das zu einem Tisch oder Stuhl

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