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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Körper mehr. Sie könnten hier ewig leben, Fredericks, genau wie sie vorher gelebt haben – ach was, besser! Sie können Götter sein! Und wenn sie dazu ein paar Kinder töten müßten, meinst du nicht, daß sie bereit wären, den Preis zu bezahlen?«
    Fredericks gaffte mit offenem Mund. Dann schloß er ihn, spitzte die Lippen und pfiff. »Tschi-sin, Orlando, meinst du wirklich? Gott.« Er schüttelte den Kopf. »Scännig. Das ist das größte Ding aller Zeiten.«
    Jetzt, wo er zum erstenmal begriff, was auf dem Spiel stand, spürte Orlando auch, daß er gar nicht gewußt hatte, wie sehr er sich fürchten konnte. Dies war der rabenschwarze Schatten der goldenen Stadt. »Das ist es«, flüsterte er, »das ist es wirklich. Das größte Ding aller Zeiten.«
     
     
    > Der dunkelhäutige Armeemann hinter dem Schreibtisch war nicht der normale, freundliche Corporal Keegan, der sonst immer dort saß. Er blickte Christabel die ganze Zeit über an, als ob das Vorzimmer eines Büros kein Platz für ein kleines Mädchen wäre, auch wenn es das Büro ihres Papis war und dieser sich gleich hinter der Doppeltür dort befand. Corporal Keegan nannte sie immer »Christa-lala-bel« und gab ihr manchmal eine Praline aus einer Schachtel in seiner Schublade. Der Mann, der jetzt am Schreibtisch saß, war bloß muffelig, und Christabel konnte ihn nicht leiden.
    Manche Leuten machten einfach böse Gesichter zu Kindern. Das war scännig. (Das Wort gebrauchte Portia immer, und Christabel war sich nicht ganz sicher, was es hieß, aber sie dachte, daß es dumm hieß.) Und es war dumm. Merkte der Mann denn nicht, daß sie extrasuperleise war?
    Sie hatte sowieso über vieles nachzudenken, deshalb beachtete sie den muffeligen Mann gar nicht und ließ ihn weiter an seinen Squeezern rumfingern. Über vieles.
    Vor allem mußte sie über den Jungen von draußen nachdenken, und über Herrn Sellars. Als der Junge in Herrn Sellars’ Tunnel gekommen und Christabel so furchtbar erschrocken war, hatte er mit etwas Scharfem rumgefuchtelt, und sie war sich ganz ganz sicher gewesen, daß er sie beide damit verletzen würde. Und er hatte sogar Herrn Sellars damit gedroht und böse Sachen zu ihm gesagt, »Krüppel« und so, aber statt Angst zu bekommen, hatte Herr Sellars einfach so komisch leise gelacht und dann den Jungen gefragt, ob er gern etwas zu essen hätte.
    Christabel hatte mal eine Sendung im Netz gesehen, in der ein Haufen Leute irgendwo den letzten Tiger fangen wollten – sie konnte sich nicht mehr erinnern, ob es der letzte Tiger auf der Welt oder bloß in der Gegend gewesen war, aber daß es der letzte war, wußte sie noch –, weil der Tiger ein verletztes Bein und kaputte Zähne hatte und sterben mußte, wenn er weiter allein in der Wildnis lebte. Aber obwohl das Bein des Tigers so schlimm verletzt war, daß er kaum mehr laufen konnte, und sie ihm zu essen hinlegten, um ihn in die Spezialfalle zu locken, kam er trotzdem nicht in ihre Nähe.
    Das war der Blick, den der fremde Junge Herrn Sellars zugeworfen hatte, ein Blick, der sagte: »Du kriegst mich nicht.« Und er hatte wieder mit dem Messer rumgefuchtelt und mit seinem lauten Gebrüll Christabel solche Angst eingejagt, daß sie sich gleich nochmal in die Hose gemacht hätte, wenn noch ein Tröpfchen Pipi in ihr drin gewesen wäre. Aber Herr Sellars hatte sich überhaupt nicht gefürchtet, obwohl er so dünn und schwach war – seine Arme waren nicht stärker als die des Jungen – und in einem Rollstuhl saß. Er fragte ihn einfach noch einmal, ob er gern etwas zu essen hätte.
    Der Junge hatte lange gezögert und dann genauso finster geblickt wie jetzt der Mann am Schreibtisch und gesagt: »Was ’aste?«
    Und dann hatte Herr Sellars sie weggeschickt.
    Das war das Schwerste, worüber sie nachdenken mußte. Wenn Herr Sellars sich vor dem Jungen, der Cho-Cho hieß, nicht fürchtete, wenn er nicht glaubte, daß der Junge ihm etwas tun würde, warum schickte er sie dann weg? Tat der Junge nur kleinen Mädchen was? Oder wollte Herr Sellars etwas tun oder sagen, das sie nicht hören sollte, nur der Junge? Das tat ihr weh, genau wie damals, als nur drei Mädchen bei Ophelia Weiner übernachten durften, weil ihre Mama das so wollte, und sie Portia und Sieglinde Hill und Delphine Riggs einlud, obwohl Delphine Riggs erst wenige Wochen vorher auf ihre Schule gekommen war.
    Portia meinte hinterher, es sei doof gewesen, und Ophelias Mama habe ihnen Bilder von der Familie in ihrem Haus in Dallas

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