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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Hinterbeinen vor den Strohmann, der wieder weitgehend in sich zusammengesackt war. »Kannst du nicht mehr Luft in dich hineinatmen?« fragte der Buschmann.
    »Ich glaube nicht, daß die Nähte an diesem Körper noch eine Füllung überleben würden, und wenn sie reißen, bevor ich meinen Plan ausgeführt habe, ist alles aus. Also macht gefälligst, daß ihr wegkommt.«
    »Sage mir nur noch eines«, meinte !Xabbu . »Was ist diese Dorothy, von der du sprachst? Du sagtest, wir müßten das Mädchen in Sicherheit bringen.«
    »Hängt mit der Einrichtung dieser Simwelt zusammen.« Die Stimme der Vogelscheuche wurde allmählich piepsig und dünn. »Postapokalyptische Situation. Atomkrieg. Überlebende sind nicht fortpflanzungsfähig. Massenweise Tanten Ems, Onkel Henrys, alle steril. Daher der Mythos von einem Mädchen, das von einer der Emilys zur Welt gebracht werden soll. Die Dorothy, kapiert?« Er spähte aus eingesunkenen, aufgemalten Augen !Xabbu an, der eindeutig nicht kapierte. »Ach, haut ab«, säuselte er. »Geht mir aus den Augen.« Er stellte den Wandbildschirm an, auf dem ein Bild der Neuen Smaragdstadt im Belagerungszustand zu sehen war. Einige der häßlichen Häuser brannten, und Tiktaks polterten durch die verwüsteten Straßen wie zweibeinige Panzer.
    Als erst !Xabbu und dann die anderen sich in den Luftschacht zwängten, hob die Vogelscheuche ihre kraftlosen Arme in die Höhe. »Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet«, deklamierte sie beinahe pfeifend. Sie schien mit sich selbst oder mit dem Bildschirm zu reden. »Landungsschiffe, die brannten draußen vor den Küsten des Nonestischen Ozeans. Und ich habe magische Donnerbüchsen gesehen, blitzend und glitzernd im Dunkeln nahe Glindas Palast. All diese Momente werden verloren sein in der Zeit, so wie Tränen im Regen.« Ihr Kopf sank mit einem hörbaren Zischen austretender Luft zusammen. »Zeit… zu sterben …«
    Bevor sie als letzte in den Schacht stieg, wollte Renie es noch einmal versuchen. »Vogelscheuche, wer du auch sein magst, was ich dir sage, ist kein leeres Gerede. Ich denke, daß Menschen an Sachen, die ihnen online zustoßen, sterben können. Richtig sterben. Irgendwas an diesem Netzwerk läuft vollkommen verquer.«
    Der Strohmann hatte eine versteckte Konsole in der Wand geöffnet und legte mit seinen Schlackerfingern unter großer Anstrengung einen Kippschalter nach dem anderen um. »Pfff«, ächzte er. »Tolle Abgangsrede, die du dir da aus den Fingern saugst.«
    »Aber das ist wichtig!«
    Er schloß die Augen und legte seine Handschuhe über die Stellen, wo die Ohren hätten sein sollen. »Sagt da jemand was? Ich kann nämlich nichts verstehen…«
    Mit einem Seufzen wandte Renie sich um und kletterte hinter den anderen her.
     
    Minuten später kullerten sie aus dem Luftschacht auf das kiesbedeckte Flachdach. Draußen war es Tag, aber gerade eben noch. Über den Himmel zogen häßliche schwarze Wolken, und die heiße Waschküchenluft roch elektrisch geladen – Renie vermutete, daß es weitere Tornadoangriffe gegeben hatte, während sie drinnen gewesen waren. Schweiß floß ihr in einem stetigen Rinnsal zwischen den Brüsten hindurch und über den Bauch.
    Um zum Fluß zu kommen, mußten sie anscheinend ein gutes Stück weit durch das Werk hindurch, ein dunkles Konglomerat von Vorratstanks, Industrieleitungen und plumpen, niedrigen Gebäuden. Nach einer hastigen Auseinandersetzung beschlossen sie, über die Gleisanlage zu laufen und dann das Werk auf der direktestmöglichen Bahn zu durchqueren, um nur so lange auf dem Territorium des Blechmanns zu sein, wie ihr Weg zum Fluß es unbedingt erforderte. Obwohl sie sahen, wie kleine Knäuel niedergeschlagener Henrys von Tiktaks vor dem Betonpalast der Vogelscheuche zusammengetrieben wurden, war der Güterbahnhof unter ihnen leer, und so kraxelten sie an einem Fallrohr nach unten und sprinteten zu einem von der Hauptstrecke abgehenden Abstellgleis, wo mehrere Waggons standen.
    Sie versteckten sich hinter den hohen Rädern eines Flachwagens und waren eben wieder zu Atem gekommen – wenigstens !Xabbu , die anderen immerhin annähernd –, als ein lautes, aber gedämpftes Wumm den Boden unter ihnen erschütterte. Selbst der massive Wagen tat einen kleinen Hopser, daß seine Räder am Gleis schrammten und Renie einen furchtbaren Moment lang meinte, er würde umkippen und sie alle zerquetschen.
    Als die Erde aufgehört hatte zu beben, krochen sie an das Ende des

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