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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Vielleicht ist auf der andern Seite eine Falle.«
    Trotz ihrer Abneigung gegen den Mann schämte sie sich. »Du hast recht. Tut mir leid.«
    »Laß mich gehen«, meinte !Xabbu , als sie die Tür erreichten. »Ich bin leicht und flink.«
    Renie schüttelte den Kopf. »Erst müssen wir schauen, was mit der Tür ist. Azador, gibt es eine Möglichkeit, die Tür zu umgehen, etwa so, wie du uns aus der Zelle rausgeholt hast?«
    Er musterte einen Augenblick lang schweigend die Wände und schüttelte dann den Kopf. »Nein, nicht in diesem Raum. Er ist kein – wie sagt man noch? – Snap-on-Code. Jemand hat ihn eigens angefertigt. Er muß einmal ganz nett gewesen sein.«
    Renie sah sich in dem riesigen, fensterlosen, pfefferminzgrünen Saal um und hatte ihre Zweifel. Ihr Blick fiel auf das Transparent. »Wartet mal.« Sie zog den robusten Papierstreifen von der Wand, schlich dann vorsichtig zur Tür und steckte ihn durch den Griff. Nachdem sie Azador die Enden des Transparents in die Hand gedrückt hatte, nahm sie einen der Klappstühle – das hätte wirklich die Stadthalle von Pinetown sein können! – und trat von der Seite an die Tür heran. Sie schob mit dem Stuhl den Griff zurück, bis es klick machte, dann riß Azador an dem Transparent, und die Tür flog auf.
    Nichts explodierte. Keine Gaswolke und kein Regen nadelspitzer Stacheln kam geflogen. Die Schnauze dicht am Boden und mit dem Kopf nickend wie ein Ichneumon, der sich an eine Schlange anschleicht, näherte sich !Xabbu vorsichtig der offenen Tür. Renie sprach still ein paar Zeilen aus einem Kindheitsgebet für die Sicherheit des kleinen Mannes.
    Da er nichts unmittelbar Verdächtiges entdeckte, wagte sich der Pavian ein paar Schritte vor und war nicht mehr zu sehen. Renie hielt den Atem an. Gleich darauf kam er mit gesträubtem Rückenfell wieder angehoppelt. »Kommt schnell!«
    Der Raum war leer bis auf einen Haufen alter Kleider, der mit Schläuchen drapiert in der Mitte auf dem Boden lag. Renie wollte !Xabbu gerade fragen, weshalb er denn so aufgeregt sei, als das Altkleiderbündel seinen flachen, schrumpeligen Kopf hob. Emily quiekte und wich zur Tür zurück.
    »… Hilfe…«, murmelte es. Der leise, trockene Ton verhauchte, bevor er ganz ausgesprochen war.
    »Lieber Gott, es ist die Vogelscheuche.« Renie trat ein paar Schritte vor, dann zögerte sie. Hatte dieses Ding sie nicht töten wollen? Andererseits konnte es ihnen vielleicht sagen, wie man aus diesem Tollhaus herauskam. Ansonsten waren sie auf Azador angewiesen, und der Gedanke wurde ihr von Minute zu Minute unbehaglicher. »Was können wir tun?« fragte sie das zerknautschte Ding am Boden.
    Ein einzelner Finger kam hoch und deutete schlaff auf eine der Türen in einer ansonsten kahlen, glatten Wand. Sie konnte nur hoffen, daß das Ding noch genug Verstand hatte, um die richtige Tür zu kennen.
    »Ich höre die Blechmänner«, ließ sich !Xabbu vernehmen. »Sehr laut. Jetzt ganz nahe.«
    Renie nahm die Vogelscheuche hoch, sehr bemüht, nicht über das Spaghettigewirr der Schläuche zu stolpern. Der König von Kansas zuckte schwach in ihren Händen – ein bemerkenswert unangenehmes Gefühl, als hätte man eine sackleinerne Schlange auf dem Arm.
    Das alles kratzt diesem netten Ozfilm irgendwie den Lack ab, ging es Renie unwillkürlich durch den Kopf.
    Die Tür ließ sich leicht öffnen; dahinter führte eine Treppe nach oben. Emily, deren Miene irgendwo zwischen Scheu und Ekel erstarrt war, griff sich aufs Geratewohl eine Handvoll Schläuche und einen der gestiefelten Füße der Vogelscheuche, die bei dem hastigen Aufsammeln liegengeblieben waren, und eilte Renie hinterher, dicht gefolgt von Azador und !Xabbu .
    Oben am Ende der Treppe erwartete sie so etwas wie ein Kesselraum mit Rohren, die dicht und vielfach verzweigt unter der Decke und an den Wänden verliefen. Ein einzelner Stuhl, der aus dem Cockpit eines uralten Flugzeugs stammen mochte, stand vor einer Stelle an der Wand, wo die Röhren sich um den imitierten Holzschrank des Wandbildschirms krümmten.
    Der Kopf der Vogelscheuche wackelte. Sie deutete mit schlackernder Hand auf ein Rohr, das im rechten Winkel zu den anderen etwas mehr als einen Meter über dem Boden in einer Düse endete. Die Vogelscheuche nahm ihre ganze Kraft zusammen, um Atem zu holen. Renie beugte sich dicht heran, um die flüsternde Stimme zu verstehen.
    »… in die Brust…«
    Sie blickte die Düse an, dann den schlaffen Wust aus Overall und Flanellhemd zwischen

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