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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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anzuvertrauen, T4b allerdings nur mit dem Versprechen, Florimel und ich würden ihn an den Händen halten, bis er sicher war, daß es ging. Dabei hätte er mit seinem Pessimismus beinahe recht behalten, denn da wir in dieser Kettenformation nicht die Hände frei hatten, konnten wir nicht auf den Winden segeln. Wir begannen zu fallen und mußten ihn loslassen. T4b stürzte weitere hundert Meter in die Tiefe, bevor er die Arme von sich streckte und wild damit zu schlagen begann wie ein aufgeregtes Huhn. Zu seiner unendlichen Erleichterung trug ihn die Luft genauso gut wie uns übrige, und nach einer Viertelstunde etwa tollten und spielten wir alle auf der Brise wie Engel zwischen den Wolken des Paradieses.
    Besonders William schien es mächtig Spaß zu machen. ›Heiliger Bimbam‹, rief er aus, ›endlich mal was, wofür sich’s gelohnt hat, diesen bescheuerten Laden zu bauen! Das ist phantastisch!‹
    Es blieb mir überlassen, zu bedenken zu geben, daß wir besser anfangen sollten, unsere neue Umgebung zu erforschen, schließlich wüßten wir nicht, wie sich die Verhältnisse verändern könnten. Vielleicht gebe es sogar ›Windüberschwemmungen‹, sagte ich, bei denen der Fluß über die Ufer trat und uns alle ins Tal spülte und gegen vorstehende Felsen schmetterte. Die anderen sahen das ein, und wir machten uns auf den Weg wie Zugvögel sehr ungewöhnlicher Art.
    Wir hatten zwar keine Flügel, unsichtbare oder sonstwelche, aber unsere Arme taten ungefähr die gleichen Dienste. Da jedoch das Informationsfeld, das wir damit in Unruhe versetzten, nicht größer war als unsere physische Größe es rechtfertigte, kam ich zu dem Schluß, daß unser neues Environment eher eine Fantasywelt als ein wissenschaftliches Experiment war – selbst wenn wir an einem Ort mit sehr geringer Schwerkraft gewesen wären, hätten wir mit den Körperoberflächen, die wir den Luftströmungen bieten konnten, nicht derart dramatische Bewegungen erzielen können und wären nicht so rasch abgestürzt, wenn wir hin und wieder mit dem Armschlagen aufhörten. Diese Simwelt wollte gar nicht den Anschein erwecken, realistisch zu sein. Sie war ein einziger großer Traum vom Fliegen.
    Ich begann zusehends zu genießen, was ich nur die Poesie des Ortes nennen kann, und war durchaus mit William einer Meinung, daß es hier etwas gab, wofür es sich lohnte, ein derart teures Netzwerk zu bauen. Auch bestand diese neue Welt nicht bloß aus Stein und Luft. Ungewöhnliche Bäume mit Blättern in unerwarteten Farben – lila, hellgelb und sogar blaß lavendelblau – wuchsen direkt aus Spalten in den Schluchtwänden, einige mit fast vollkommen horizontalen Stämmen, während andere so anfingen, aber dann in der Mitte abknickten und parallel zur Felswand in die Höhe stiegen. Manche waren so breit und verzweigt, daß ein ganzer Menschenschwarm auf ihnen hätte nisten können – was auch manchmal der Fall war, wie wir später erfuhren. Es gab auch noch andere Formen von Pflanzenleben, Blumen so groß wie Servierteller, die ebenfalls aus Ritzen im Stein wuchsen, hohle, an den Felsen emporkletternde Lianen mit langen Ranken, die bis zum Fluß hinunterhingen und in den Windströmungen wirbelten wie Seetang. Es gab sogar Bälle aus loser Pflanzenmasse, die durch die Luft trudelten wie Steppenhexen und keinerlei Kontakt mit dem Boden hatten.
    Tatsächlich schien der Luftfluß genau wie ein normaler irdischer Fluß ein Anziehungspunkt für viele Arten von Leben zu sein. Die fliegenden Pflanzen zum Beispiel schienen direkt am Rand des Luftflusses am häufigsten zu sein, sozusagen am ›Ufer‹ entlangzurollen. Viele Vogel- und Insektenarten tummelten sich ebenfalls nahe der starken Strömungen, die in ihren unsichtbaren Klauen reichlich lebende Materie mitführten, ein Großteil davon anscheinend eßbar. Ich wünschte mir in diesen ersten Stunden viele Male, ich hätte Zeit, diese eigentümliche Flora und Fauna eingehend zu erforschen.
    Es wurde bald deutlich, daß wir am Morgen eingetroffen waren, denn binnen kurzem erschien der erste Sonnenstreifen über den Gipfeln. Mit Erwärmung der Luft zog es weitere Lebewesen zu dem Windfluß, und bald waren wir von einer Wolke von Insekten, Vögeln und auch seltsameren Geschöpfen umringt. Einige waren Nagetiere, die Flughörnchen glichen, aber andere hatten keinerlei Ähnlichkeit mit auf Erden lebenden Tieren. Besonders eines war sehr häufig, ein merkwürdiges Wesen mit winzigen schwarzen Augen, paddelnden

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