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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Papst Johannes XXIV.)
    Off-Stimme: Dallas Spicer-Spence, von den Klatschnetzen »Diamanten-Dal« genannt, wurde tot in ihrem Schweizer Château aufgefunden. Als Todesursache wird Herzversagen angegeben; sie war 107 Jahre alt. Spicer-Spence gewann und verlor im Laufe ihres bewegten Lebens mehrere Vermögen und mehrere Ehemänner, aber am bekanntesten wurde sie wahrscheinlich durch den Rechtsstreit, den sie während ihrer Zeit in Tansania deswegen führte, einen Schimpansen namens »Daba« zu ihrem Erbschaftsverwalter einsetzen zu dürfen. Sie wollte damit ihrem Eintreten für die Rechte der dort lebenden Menschenaffen, die alljährlich zu Hunderten zu biomedizinischen Forschungszwecken verkauft werden, dramatisch Ausdruck verleihen.
    (Bild: Daba am Schreibtisch, eine Zigarre paffend)
    Spicer-Spence hatte mit ihrer Klage Erfolg, überlebte jedoch den Schimpansen Daba um mehr als ein Jahrzehnt. Die Verfügung über ihren Nachlaß liegt jetzt in den Händen mehrerer menschlicher Anwälte …
     
     
    > Renie hatte größte Mühe, sich zu bewegen. Ihr ganzer Körper war von Schmerz und Erschöpfung wie zerschlagen, aber diese Zerschlagenheit war nichts im Vergleich zu der furchtbaren Müdigkeit, die auf ihr lag. Sie hatte nicht mehr die Kraft weiterzugehen und keinen Glauben mehr, aus dem sie noch Kraft hätte schöpfen können. Die Welt war ein einziger harter Widerstand und sie selbst so knochenlos geworden wie der Fluß, dem sie erst wenige Minuten zuvor entkommen war.
    !Xabbu war gerade damit fertig geworden, das Feuerholz in der Mitte der Waldlichtung zu einem ordentlichen Kegel aufzuschichten. Emily, die aus der Neuen Smaragdstadt geflohene junge Frau, saß schlotternd in einem rasch schwindenden Fleckchen Sonnenschein und sah ohne Interesse zu, wie die flinken Pavianfinger zwei weitere Holzstücke aus dem zusammengetragenen Haufen klaubten. Der Buschmann-Pavian setzte die Spitze des kleineren Stocks in ein Loch in dem größeren, hielt diesen dann mit den Füßen fest und fing an, das kleinere Stück zwischen den Handflächen zu zwirbeln, als wollte er das Loch größer bohren.
    Schuldbewußt machte sich Renie Vorwürfe, daß sie untätig zusah, wie ihr Freund die ganze Arbeit tat, aber das Gefühl war zu schwach, um sie aus ihrer Niedergeschlagenheit zu reißen. »Du kannst dir die Methode ›Selbst ist der Buschmann‹ sparen«, sagte sie. »Wir haben doch Azadors Feuerzeug.« Sie reichte ihm das silberne Rechteck, das sie im Fluß dermaßen fest gehalten hatte, das der Abdruck auf der virtuellen Haut ihrer Hand immer noch zu sehen war.
    Ein erhebendes Beispiel für die Otherland-VR-Technik, dachte sie säuerlich. Ziemlich eindrucksvoll, nicht? Hurra, hurra.
    !Xabbu betrachtete es einen Moment lang mit einer andächtigen Aufmerksamkeit, die beinahe komisch war – ein Affe, hatte es den Anschein, der eine schlaue menschliche Erfindung zu begreifen suchte. »Ich frage mich, wofür dieses Y steht«, sagte er, während er die Gravur auf dem Feuerzeug in Augenschein nahm.
    »Mit dem Buchstaben fängt wahrscheinlich der Name des Kerls an – wir wissen ja nicht mal, ob Azador sein Vorname oder sein Nachname ist, stimmt’s?« Sie schlang ihre Arme um die Knie, als der erste Hauch einer Abendbrise, die recht steif zu werden versprach, über das Flußufer strich, daß das Dschungellaub raschelte.
    !Xabbu drehte das Feuerzeug um und blickte dann zu ihr auf. »Er sagte mir, er heiße Nicolai. Azador sei sein Nachname.«
    »Was? Wann hast du denn darüber mit ihm geredet?«
    »Als du schliefst. Er erzählte nicht sehr viel. Ich fragte ihn, wo sein Name herkomme, und er sagte, es sei ein spanischer Name, aber sein Volk seien die Roma, und für das fahrende Volk sei Spanien einfach ein Land wie viele andere. Sein Vorname sei Nicolai, ein guter Romaname, wie er sagte.«
    »Verdammt.« Trotz ihrer Abneigung gegen den Mann konnte Renie einen gewissen Unmut darüber nicht unterdrücken, daß der mysteriöse Azador !Xabbu in einem fünfminütigen Gespräch mehr über sich erzählt hatte als ihr im Laufe mehrerer Tage. »Na schön, dann werden wir wohl nie erfahren, was das Y zu bedeuten hat, nehme ich an. Vielleicht hat es seinem Vater gehört. Vielleicht hat er’s gestohlen. Ich tippe auf das zweite.«
    Es gelang !Xabbu trotz seines nicht ganz menschlichen Daumens, den Knopf zu drücken; die winzige Nova flammte knapp über dem Ende des Feuerzeugs auf und bewegte sich auch nicht, als die Brise stärker wurde. Als das Anmachholz

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