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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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achtundvierzig. Natürlich bezahlt. Dann kannst du dich endlich mal um deine Privatangelegenheiten kümmern. Dazu hab ich dir in letzter Zeit nicht viel Gelegenheit gelassen.«
    Er hatte sie schon wieder aus dem Konzept gebracht – sie hatte noch nie einen Menschen gekannt, der das derart permanent fertigbrachte. Was hatte er jetzt wieder vor? Wollte er sie aus dem Weg haben, weil er befürchtete, sie würde die Sache mit dem Stammesrat vermasseln? Oder war es aufrichtig freundlich gemeint? Es stimmte, sie hatte in letzter Zeit so viele Zwölfstundenschichten geschoben, daß sie dazwischen nicht mehr hatte tun können als duschen, schlafen und ihre dringendste Post angucken. Sie hatte durchaus noch verschiedene Dinge an der Heimatfront zu erledigen, die seit ihrer Rückkehr aus Kolumbien liegengeblieben waren.
    »Das … das wäre prima, klar.« Sie nickte nachdrücklich. »Bist du sicher, daß es nicht zuviel für dich wird?«
    »Ach, ich ruh mich aus, wenn ich’s brauche.« Er lächelte selbstsicher, und wieder schien er vor Energie zu bersten. So hatte sie ihn noch nie erlebt.
    »Tja, also dann. Chizz. Dann sehen wir uns …«
    »Übermorgen um diese Zeit. Genieß deine freien Tage.«
    Sie verließ das virtuelle Büro, schaltete ab und blieb eine ganze Weile auf der Couch sitzen, wo sie ihren wirr durcheinanderschießenden Gedanken freien Lauf ließ. Jones sprang ihr auf den Schoß und stupste ihre Hand an, wollte gestreichelt werden.
    Dulcy wurde die Erinnerung an Dreads strahlendes Lächeln nicht los, an die geballte Energie in seiner virtuellen Gestalt. Auch nicht an den Ausdruck auf seinem Gesicht, als er sie neulich bedroht hatte, an die Augen, dunkel wie Steine. Sie konnte nicht aufhören, an ihn zu denken.
    Hilfe, dachte sie, während sie geistesabwesend an Jones’ Halsband zupfte. Entweder ich bin dabei, mich in ihn zu verlieben … oder ich hab eine Todesangst vor ihm.
    Sofern es da einen Unterschied gibt.
     
     
    > Als Dulcy weg war, drehte der Mann, der als Junge den Namen Johnny Wulgaru geführt hatte, seine innere Musik auf – Polyrhythmen, größtenteils melodielos, aber dynamisch wie fressende Heuschrecken – und betrachtete nachdenklich die virtuelle Stadt, die sich draußen vor den Fenstern des imaginären Büros ausbreitete. Es war so typisch für eine Frau, daß sie sich von einem Raum eine Wirkung versprach. Das war eine der Sachen, an denen man das Tier in ihnen erkannte, dieser tiefe Nisttrieb. Sogar seine verhurte Mutter hatte gern ab und zu bunte Tücher über die schrottigen Möbel drapiert, die Ampullen und die leeren Plastikflaschen aufgefegt und den Saustall »hübsch gemacht«. Genausogut hätte man einen Haufen Hundescheiße vergolden können, aber das war der blöden Kuh ums Verrecken nicht beizubringen gewesen. Frauen waren nicht frei, nicht beweglich wie Männer. Sie waren verwurzelt oder wollten es sein. Es gab nicht viele Frauen, die unterwegs waren, von einem Ort zum anderen. Wahrscheinlich war das der Grund, weshalb sie nicht mit der Sorte Mann zusammensein wollten, die das war.
    Aber es war auch der Grund, weshalb er, seitdem er seine Wut zu bezähmen gelernt hatte, Männer nur des Geldes wegen oder gelegentlich aus praktischer Notwendigkeit heraus tötete. Weil Frauen dem Boden so nahe waren, dem ganzen Kleinklein des Lebens, steckte in ihnen eine Vitalität, die den Männern abging. Männer konnten ihr Leben wegwerfen und nicht selten in einer sinnlosen Geste, einer vorprogrammierten Wutschleife, die nichts zu bedeuten hatte, die nur die Art der Natur war, ab und zu aufzuräumen und Platz zu schaffen. Aber Frauen klammerten sich ans Leben – sie waren nichts anderes, steckten darin von ihren schmutzigen Füßen über den lebenausstoßenden Schoß bis zu den wachsamen Augen. In einer ihm unerklärlichen Weise waren sie das Leben, und daher war es mehr als nur ein Job, sie zu jagen und es ihnen zu entreißen. Es war ein Aufschrei gegen die ganze Welt. Es war eine Art, das Universum mit Gewalt aufzurütteln.
    Dread schnalzte mit den Fingern, und das Stadtbild verschob sich. Die Sydneyer Oper tauchte auf einer Seite des Fensters auf und glitt in die Mitte des Panoramas, so als ob das Büro rotierte. Die Lichter der Großstadt flossen funkelnd vorbei, jedes einzelne eine Art Stern, der eine eigene lichthungrige Welt erhellte. Aber Dread war der Zerstörer der Welten.
    Er stellte die Polyrhythmen noch lauter, bis sie ihn durchtobten wie Flipperbälle, bis die

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