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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Rücken aufgeweicht zu haben. Das furchtbare Paar hatte ihn wieder aufgespürt – würden sie bis ans Ende der Zeit auf ihn Jagd machen?
    »Rühr dich ja nicht, Jonas«, säuselte die schmalgesichtige Tragödie. »Wir haben uns lauter nette, kleine Fiesitäten für dich ausgedacht.«
    »Wir könnten dich auch einfach in der Luft zerreißen«, meinte die Komödie.
    Eine dritte Stimme, ein beharrliches Wispern, das über seine Nervenenden strich wie eine kalte Brise, drängte ihn aufzugeben – an Ort und Stelle zu Boden zu sinken und das Unvermeidliche geschehen zu lassen. Was hatte das ganze Fliehen für einen Sinn? Meinte er wirklich, er könnte diesen beiden nimmermüden Verfolgern ewig entgehen?
    Paul griff Halt suchend nach der Wand. Eine von diesen beiden ausgehende Kraft vergiftete ihn, ließ ihm das Herz in der Brust langsamer schlagen. Er spürte, wie seine Finger, seine Hände, Arme und Beine ganz kalt und steif wurden …
    Gally! Der Junge lag noch schlafend in den Gemächern dieser Eleanora. Wenn sie Paul fingen, was sollte sie dann davon abhalten, sich auch ihn zu schnappen?
    Die Erkenntnis zündete ganz hinten in seinem Gehirn einen Funken und gab ihm wieder ein Rückgrat zurück. Er taumelte einen Schritt zurück, dann fing er sich und drehte sich um. Im ersten Moment konnte er sich nicht erinnern, in welcher Richtung Eleanoras Gemächer lagen; die lähmende Furcht, die von dem Paar hinter ihm ausströmte, zwang ihn abermals beinahe zu Boden. Er schlug die Richtung ein, die ihm richtig vorkam, und stürzte den im Schatten liegenden Gang hinunter. Sofort wurde das Bedürfnis zu kapitulieren schwächer, aber immer noch spürte er die beiden Häscher hinter sich. Es war ein entsetzlicher und dabei gleichzeitig eigentümlich irrealer Albtraum von Flucht und Verfolgung.
    Wieso fangen sie mich nicht einfach? fragte er sich. Wenn sie die Herren dieses Netzwerks sind, wieso nehmen sie mich nicht in die Zange oder stellen meinen Sim ab oder sonstwas? Er lief schneller, auch wenn er dabei auf dem glatten Fußboden auszurutschen drohte. Es war dumm, sich mit unbeantwortbaren Fragen zu quälen – lieber um die Freiheit kämpfen, solange es noch ging.
    Aber sie kommen jedesmal näher, wurde ihm klar. Jedesmal.
    Paul erkannte den Wandbehang: er war richtig gelaufen. Wie wild hämmerte er an die Außentür, die einen Spalt breit aufging, bevor sie gegen eine Blockade stieß. Er hörte im Innern Gallys Stimme, lauter werdende verwirrte und fragende Töne, und er setzte seine Schulter an und drückte mit aller Kraft. Die Tür hielt noch kurz stand, dann gab das Hindernis nach und rutschte kratzend über die Steinplatten, und Paul stolperte in das Zimmer. Eleanora kauerte in einer Ecke, den erschrocken blickenden Gally an sich gepreßt.
    »Du hast mich im Stich gelassen!« schrie Paul. »Du hast mich diesen … Bestien ausgeliefert!«
    »Ich mußte den Jungen retten«, versetzte die kleine Frau scharf. »Er bedeutet mir etwas.«
    »Meinst du, wenn du … Möbel gegen die Tür stellst, kommen die … nicht rein?« Er schnaufte dermaßen, daß er kaum reden konnte, und das Gefühl der unmittelbaren Bedrohung wurde schon wieder stärker. »Wir müssen hier weg. Wenn du mich nicht offline kriegen kannst, kannst du uns dann nicht wenigstens in eine andere Simulation versetzen? Mach ein … ein Gateway, oder wie diese Dinger heißen.«
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf, und ihr runzliges Gesicht wurde hart. »Wenn ich ein Notgateway aufrufe und mich damit gegen Jongleurs Agenten stelle, wird die Bruderschaft davon erfahren. Dies hier ist nicht mein Kampf. Dieses Venedig ist alles, was ich noch habe. Ich werde nicht alles für dich, einen Fremden, aufs Spiel setzen.«
    Paul konnte es nicht fassen, daß er hier mit ihr herumstritt, während Tod und Teufel die Hand nach ihm ausstreckten. »Aber was ist mit dem Jungen? Was ist mit Gally? Sie werden sich auch ihn greifen!«
    Sie starrte erst ihn an, dann den Jungen. »Nimm ihn und lauf«, sagte sie schließlich. »Es gibt eine Geheimtür, durch die ihr auf den Platz kommt. Tinto meinte, die nächsten Gateways seien bei den Juden oder den Kreuzherren. Das Ghetto ist ziemlich weit weg – es liegt mitten in Cannaregio. Lauft lieber zum Hospiz der Kreuzträger. Wenn ihr Glück habt, seid ihr vor diesen Ungeheuern da und findet den Durchgang.«
    »Und wie soll ich dieses Kreuzträgerdings finden?«
    »Der Junge wird dich hinführen.« Sie bückte sich und küßte Gally auf den

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