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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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mit seiner kalten, schaurigen und unausweichlichen Gegenwart.
    Es ist wie eine dieser Todeszellensimulationen, dachte Orlando und erinnerte sich an die Zeit, in der er solche Erfahrungen bewußt gesucht hatte, um sich seelisch dagegen abzuhärten. Wie das Warten darauf, daß sie dich zur Hinrichtung holen kommen, und das Wissen, daß du absolut nichts dagegen machen kannst.
    »Es ist das Ding aus dem Gefrierfach«, sagte er laut. »Es lauert auf uns. Es ist das Ding, das du den Teufel genannt hast. Den wirklichen Teufel.«
    Fredericks grunzte nur. Es war ihm klar.
    Orlando wollte nichts mehr, als nach seinen Eltern rufen können, daß sie kamen und ihn retteten. Im Grunde, begriff er, wollte er seine Mutter dahaben. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte er sich dafür geschämt, aber jetzt nicht. Er wollte einfach gehalten werden und gesagt bekommen, daß alles gut werden würde. Aber das Teuflische daran war, daß Vivien vielleicht nur wenige reale Zentimeter von ihm entfernt und doch gleichzeitig auf der andern Seite des Universums war. Es tat so furchtbar weh.
    Fredericks neben ihm kämpfte ebenfalls mit den Tränen, war aber entschlossen, die Männerrolle genauso stupide durchzuhalten wie ein Junge.
    Sie wechselten abermals die Richtung und versuchten jetzt, auf ihren eigenen Spuren zurückzugehen, obwohl der Sand darübergeweht war und sie schwer zu erkennen waren, aber das alles änderte nichts. Die Wolke des Grauens blieb weiter vor ihnen hängen.
    Wir müssen hingehen, begriff Orlando dumpf. Wir haben keine Wahl.
    Fredericks’ Gesicht hatte seine übliche Stumpfheit verloren; er hatte das Starren eines in die Enge getriebenen Tieres, bei dem man das Weiße im Auge sah. »Ich will nicht, will nicht, will nicht«, brabbelte sein Freund leise vor sich hin. »Ich will nicht hier sein, will das nicht machen…«
    Orlando legte Fredericks die Hand auf die Schulter, um seinem Freund Kraft zu geben, doch seine Stimme war selbst ganz angespannt vor Verzweiflung. »Wir können genausogut die ursprüngliche Richtung einschlagen.« Er bog ab, so daß sie sich wieder parallel zum Lauf des Nils bewegten. »Es ist egal, wohin wir gehen, und sei es dorthin, von wo wir los sind.«
    Fredericks hatte keinen Antrieb zu widersprechen; er ließ den Kopf sinken und folgte Orlando. Etwas zog sie nunmehr aktiv vorwärts, saugte sie an, als ob sie Planeten im Bann eines schwarzen Sterns wären. Steifbeinig gingen sie weiter, um Balance bemüht, fühlten, wie es wartete, aber konnten nicht stehenbleiben.
    Als sie eine langgestreckte Erhebung erklommen hatten, sahen sie es endlich. Allein dort angekommen zu sein, war für Orlando wie ein Schlag in die Magengrube, von dem ihm übel wurde und der ihm den Atem raubte.
    Dabei war der bloße Anblick nicht das eigentlich Schreckliche. Der in ein Wüstental geschmiegte Tempel war heller erleuchtet, als es das Mondlicht allein fertiggebracht hätte, und war umgeben von niedrigen Felswänden und einem gewaltigen, unregelmäßigen Ring zerbrochener Steine. Entlang der Fassade zog sich eine ununterbrochene Säulenreihe, ein trostloses braunes Grinsen wie von einem Totenschädel, das sich meilenweit zu erstrecken schien. Obwohl Orlando und Fredericks von der Kuppe einer hohen Düne auf das Tal hinabsahen, machte der Tempel gleichzeitig aufgrund irgendeiner perspektivischen Täuschung den Eindruck, sie hoch zu überragen, als ob die Nacht selbst, verzerrt von der gräßlichen Gravitation des Tempels, sich nach innen gekrümmt hätte.
    Orlando hatte noch nie etwas gesehen, das so vollkommen tot und verlassen wirkte wie dieser Ort, so öde und leer und leblos; aber zugleich war ihm klar, daß etwas darin lebte, etwas, das sie schon Stunden vor ihrer Ankunft gefühlt hatten, ein Wesen, das so zutiefst verkehrt war, daß allein beim Anblick seiner Behausung jede Zelle in Orlandos Körper, jeder elektrische Impuls seines Denkens dagegen aufschrie und ihn drängte, wegzulaufen. Und obwohl er genau wußte, daß Weglaufen nichts nützte – daß jede Bahn, die sie einschlugen, sich einfach im Simulationsraum umbiegen und sie wieder hierher zurückbringen würde –, wäre er trotzdem geflohen, wenn die Bannwirkung des Tempels, das betäubende und lähmende Unheilsfeld ihn nicht in einen bewegungsunfähigen Stein verwandelt hätte, wäre gelaufen bis zum Umfallen und dann weitergekrochen, bis zum Herzstillstand.
    Wenigstens eine Minute verging, bevor einer von ihnen etwas sagen konnte, aber jede Sekunde war ein

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