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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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am Ende jedes Tages einen netten kleinen Profit abzuwerfen.
    Binnen weniger Monate graste eine Freilandherde von Rollbotern zu ihren Gunsten ganz Tampa ab, so viele, daß Cho-Cho und seine Freunde allnächtlich stundenlang S-Bahn surfen mußten, um sie alle zu melken. Sie lebten auf so großem Fuß, daß Cho-Cho als aufstrebender Jungunternehmer sich sogar von einem Can-Man von der Straße in einem schmutzigen Hinterzimmer einen neuronalen Netzshunt implantieren ließ, doch sie alle wußten, daß die Zeit knapp war – die Leute von der IVC setzten alle Hebel in Bewegung, um sich jeden einzelnen Automaten zurückzuholen, den sie aufspüren konnten –, und deshalb forcierten sie ihr Geschäft, wo und wie sie nur konnten.
    In der Unglücksnacht hatte der kleine Beto in Ybor City einen noch ungemolkenen Automaten ausfindig gemacht, ein imposantes neues Modell mit einem zweieinhalb Meter hohen Plastahlkorpus, über dem wie ein Heiligenschein das Hologramm eines sprudelnd aus der Flasche schießenden Getränkes schwebte. Beto war in einem richtigen Freudentaumel – das würde der König ihrer Herde werden, verkündete er –, und obwohl Cho-Cho sich zunächst sträubte, einen derart ungewöhnlich aussehenden Automaten ohne vorherige eingehende Prüfung abzuschleppen, ließ er Beto und Iskander schließlich ihren Willen. Blitzschnell hatten sie ihn auf den fahrbaren Wagenheber gehievt, den sie aus einer Werkstatt hatten mitgehen lassen, und machten sich damit aus dem Staub.
    Das IVC-Modell 6302-B war als Lösung des Problems entwickelt worden, das man mit der vorherigen Generation mobiler Automaten gehabt hatte: Viele andere außer Cho-Cho und seinen Freunden hatten entdeckt, wie man die Rollboter entführen konnte, und die Firma hatte es satt, sich auslachen zu lassen. Die genervten Manager der International Vending Company ahnten nicht, daß durch ihre Lösung weitaus größere Probleme auf sie zukamen.
    Als Cho-Cho und seine Partner eine spätnächtliche Verkehrspause auf dem Expressway dazu ausnutzten, ihren Automaten auf die andere Seite zu transportieren – sie waren schließlich noch Kinder und konnten unmöglich ein derart großes Gerät die Stufen des Fußgängerüberwegs hinaufbefördern –, überquerte das Modell 6302-B die Grenze seines vorgesehenen Verkaufsreviers, wodurch sein Alarmsystem aktiviert wurde. Ein Heulen von der Lautstärke einer Krankenwagensirene ertönte, Warnlichter blinkten, und eine theoretisch harmlose Pflanzenfarbe mit ultravioletten Leuchtelementen spritzte aus Düsen an der Seite des Getränkeautomaten, um die Diebe zu markieren.
    Iskander bekam die Farbe direkt in die Augen. Von dem gellenden Alarm und seiner jähen Blindheit kopflos gemacht, taumelte er von dem Automaten zurück. Cho-Cho war ebenfalls von einer vollen Ladung im Gesicht getroffen worden und rieb sich wie wild die Augen, da schrie Beto entsetzt auf. Als Cho-Cho die schlimmste Farbe einigermaßen weggewischt hatte, sah er gerade noch Iskander wie angewurzelt im Scheinwerferlicht eines heranbrausenden Lasters stehen. Den Aufprall selbst kriegten sie kaum mit, aber der dumpfe Schlag war so furchtbar, daß Cho-Cho den schweren, immer noch Alarm schrillenden Automaten losließ, der schon bedenklich auf dem Wagenheber schwankte. Als er gleich darauf zu kippen begann, war das Gewicht viel zu groß, als daß Cho-Cho ihn noch hätte halten können, nicht einmal, als er die Gefahr erkannte. Der kleine Beto, der mit weit aufgerissenen Augen auf die Stelle starrte, wo Iskander eben noch gestanden hatte, bemerkte gar nicht, daß der wuchtige Kasten dabei war, auf ihn niederzustürzen. Ohne einen Laut wurde er darunter begraben.
    Erschüttert konnte Cho-Cho sich eine ganze Weile nicht vom Fleck rühren. Der Wagen, der Iskander angefahren hatte, war mehrere hundert Meter weiter stehengeblieben, und jetzt kamen andere Scheinwerfer näher und drosselten das Tempo beim Anblick des großen Automaten, der in der Mittelspur blinkend auf der Seite lag. Auch wenn sein Gehirn völlig leer war, die Muskeln gehorchten Cho-Cho in dem Moment wieder; er floh in die Dunkelheit jenseits der Straße, wobei er beinahe noch über den fahrbaren Wagenheber gestürzt wäre, der langsam den abfallenden Expressway hinunter auf den Seitenstreifen zurollte.
    Die International Vending Company wurde daraufhin mit einer solchen Flut negativer Berichte in den Sensationsnetzen überschüttet, die sich gegenseitig mit Geschichten darüber zu überbieten suchten,

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