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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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lebensgefährliche Verrücktheit, dranzugehen, aber er hielt das elende Gefühl, ausspioniert zu werden, nicht mehr aus, wollte Schluß machen mit der immer manischer werdenden Abhängigkeit. Ein Gedanke nagte schon eine ganze Weile an ihm, und mittlerweile war außer diesem Gedanken und dem ängstlichen Warten auf das Geräusch in ihm kaum noch Platz für irgend etwas anderes.
    Wie, wenn er drangehen mußte, damit es aufhörte?
    Es war zunächst nur ein spontaner Einfall gewesen. Vielleicht war es eine Art automatischer Werberundruf, der auf Auswahl nach Zufall programmiert war. Vielleicht war nicht mehr nötig – und die ganze Zeit nicht mehr nötig gewesen –, als daß jemand an den Apparat ging und entweder die Mitteilung entgegennahm oder die Unfähigkeit der Leitung demonstrierte, komplexere Informationen als akustische Signale zu übertragen. Vielleicht hätte er nur beim ersten Mal abnehmen müssen, und es wäre auch das letzte Mal gewesen.
    Er hatte bei dem Gedanken gelacht, ein hohles Schnauben voll bitterer Belustigung, das sich anfühlte, als könnte es in etwas Häßlicheres und Schmerzhafteres umschlagen, wenn er nicht aufpaßte.
    Aber vielleicht ist das gar nicht alles, was passieren wird, hatte eine andere Stimme geflüstert. Vielleicht ist das eine Art Killergear, eins von den Dingern, wie man sie im Netz ab und zu mal sieht, und es versucht einfach hier ins System reinzukommen. Womöglich will einer von diesen Gralsbrüdern damit die V-Tanks lahmlegen.
    Aber wenn dem so ist, hatte eine vernünftigere innere Stimme eingewandt, warum dann ein Audio-Fon anklingeln? Und welchen Schaden kann so etwas über eine akustische Leitung anrichten, selbst wenn ich den Hörer abnehme? Jeremiah verstand nicht viel von Technik, aber er wußte, daß es kein Gear gab, das aus einem altmodischen Hörer tropfte und dann über den Fußboden krabbelte. Er erinnerte sich düster an Gespräche darüber, daß Leute wie Renies Bruder bei der Benutzung einer billigen Station ins Koma gefallen waren, aber selbst wenn das stimmte, hatten sie verdammt nochmal immer noch eine Station benutzt und kein antikes Telefon!
    Die Idee dranzugehen, trotz seiner ganzen Befürchtungen, war im Laufe der letzten achtundvierzig Stunden immer stärker geworden. Jedes Klingeln und jedes Zusammenzucken hatten der Idee Nahrung gegeben. Er hatte eigentlich schon beim letzten Klingeln abnehmen wollen, aber der Ton hatte ihm in den Ohren gehallt wie der Schrei eines kranken Tieres, und der Mut hatte ihn verlassen. Jetzt wartete er wieder. Er konnte nichts anderes tun. Er wartete.
     
    Jeremiah war vor der Konsole der V-Tanks eingenickt. Als das Fon schnarrte, war es, als ob ihm jemand einen Eimer voll Eiswasser über den Kopf gegossen hätte.
    Sein Herz schlug so schnell, daß er meinte, ohnmächtig zu werden. Idiot, herrschte er sich an, während er seine Beine zum Aufstehen zwang, es ist bloß ein Fon. Du läßt dich von rhythmischen Stromstößen verrückt machen. Kein Mensch weiß, daß hier jemand ist. Fone klingeln laufend. Nimm einfach den Hörer ab, verdammt nochmal!
    Er schlich darauf zu, als hätte er Angst, das Ding zu erschrecken. Es klingelte zum drittenmal.
    Nimm endlich ab! Streck die Hand aus! Nimm ab!
    Nach dem vierten Klingeln schlossen sich seine Finger um den rechteckigen Hörer. Er wußte, wenn es unter seiner Hand noch einmal klingelte, würde es sich wie ein Elektroschock anfühlen. Er würde ihn von der Gabel nehmen müssen.
    Es ist bloß ein Fon, sagte er sich. Es hat nichts mit dir zu tun.
    Am andern Ende ist eine Spinne, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Sie preßt Gift durch die Leitungen …
    Bloß ein Fon. Ein dummer Zufall. Nimm ab …
    Er nahm den Hörer fest in die Hand und hielt ihn an sein Ohr, sagte aber nichts. Er merkte, wie er schwankte, und legte seine freie Hand an die Säule. Einen Moment lang hörte er nur das statische Knistern, und Erleichterung breitete sich in ihm aus. Dann sprach jemand.
    Es war eine Stimme, die verzerrt war, wenn nicht mit mechanischen Mitteln, dann durch irgendeine unvorstellbare Mißbildung. Es war die Stimme eines Ungeheuers.
    »Wer spricht da?« zischte sie. Eine Sekunde verging, noch eine. Sein Mund arbeitete, doch selbst wenn er gewollt hätte, wäre keine Antwort herausgekommen. »Joseph Sulaweyo?« Surrend, knisternd. Die Stimme klang nicht im geringsten menschlich. »Nein, ich weiß, wer du bist. Du bist Jeremiah Dako.«
    Die Stimme sagte noch mehr, aber Jeremiah konnte

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