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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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finden. Mein ganzes Leben lang, die vielen dunklen Jahre über, habe ich um die Mitte gerungen, um den inneren Ort, wo eine Blinde weiß, was was ist. Die Furcht packt einen nur im unbekannten und vielleicht unendlichen Außen.
    Er wollte wissen, auf welche Weise wir ihm in die Haussimulation gefolgt sind. Ich habe unser Geheimnis natürlich nicht preisgegeben – er kann mich quälen, bis ich weine und bettele, aber ich lasse mich nicht zur Verräterin machen. Statt dessen erzählte ich ihm, an derselben Stelle, wo er vorher entkommen war, habe sich noch einmal ein Gateway geöffnet, und wir seien alle hindurchgegangen. Ich merkte an Haltung und Stimme, daß er mir das nicht ganz abnahm, aber die Wahrheit ist so unglaublich – ein Pavian zeigte mir mit einem Stück Schnur, wie man den Durchgang herstellt –, daß er schwerlich darauf kommen wird.
    Nachdem er die Ermordete als stumme Drohung so dicht neben mich plaziert hatte, daß ich sie mit dem Fuß berühren könnte, wenn ich wollte, zog er das Feuerzeug aus der Tasche und machte mir noch einmal klar, daß ich nur dann einen Nutzen für ihn hatte, wenn ich ihm half, die Geheimnisse des Dings zu ergründen. Ich vermute, daß er es bereits eingehend untersucht, ja vielleicht sogar irgendwo anders Rat eingeholt hat, denn bei all seiner raubtierhaften Intelligenz scheint er sich mit technischen Dingen nicht besonders auszukennen. Mit seinen ersten Fragen schien er mich primär testen und sich vergewissern zu wollen, daß ich mir ehrlich Mühe gab. Meine Sinne erkannten die Gestalt und Energiesignatur ganz deutlich, und ich mußte mich nicht einmal in die Richtung drehen, um zu wissen, daß es dasselbe Gerät war, mit dem ich mich in der Flickenwelt so ausgiebig beschäftigt hatte, ein rätselhaftes Ding, dessen ungeheure Möglichkeiten allerdings größtenteils blockiert waren.
    ›Eins ist klar‹, sagte ich zu ihm. ›Es gibt nicht viele solcher Objekte im Netzwerk.‹
    Er beugte sich vor. ›Wieso das?‹
    ›Weil sie eigentlich nicht nötig sind. Diese Gralsleute haben das phänomenalste virtuelle Netzwerk gebaut, das man sich vorstellen kann. Sie verfügen ganz bestimmt über direkte neuronale Verbindungen, und ihre Interaktion mit dem Netzwerk muß so beschaffen sein, daß sie einfach mit einem Gedanken oder höchstenfalls einem Wort Wirkungen erzielen können. Die Mitglieder der Bruderschaft müssen hier so etwas wie Götter sein.‹
    Das Monster lachte darüber und erzählte mir etwas von seinem Arbeitgeber, dem Herrn über Leben und Tod, auch bekannt als Felix Jongleur. Spürbar von Verachtung getrieben redete er erstaunlich lange. Ich hielt mich still, um ihn nicht zu unterbrechen – das alles sind neue Informationen, die viel Stoff zum Nachdenken bieten. Schließlich sagte er: ›Aber du hast recht, es ist undenkbar, daß jemand wie der Alte Mann sowas nötig hat. Aber wer? Und warum?‹
    Ich grübelte angestrengt über das Problem nach – ich konnte ihn belügen, wenn es darum ging, wie wir hierhergekommen waren, aber er hatte deutlich gemacht, was passieren würde, wenn ich ihm keine Antworten auf seine Fragen lieferte. ›Es gibt, soweit ich sehe, zwei Möglichkeiten‹, sagte ich. ›Es könnte eine Art Gästeschlüssel sein, ein Hilfsmittel, das man einem kurzfristigen Besucher gibt – verstehst du? Oder es könnte jemandem gehören, der mehr als ein Gast ist, aber der wenig Zeit im Netzwerk verbringt. Den meisten Bruderschaftlern werden alle Befehle sicher zur zweiten Natur geworden sein, nicht anders als wenn sie ein Taxi herbeiwinken oder sich die Schuhe binden.‹ Trotz meines Grauens und Widerwillens ergriff mich, glaube ich, eine gewisse Erregung – ich bin gewissermaßen süchtig nach Problemlösungen, und wenn ich eine Spur entdeckt habe, fällt es mir schwer, ihr nicht zu folgen. Vorübergehend war es fast so, als wären das Monster und ich Partner, Rechercheure mit einem gemeinsamen Ziel. ›Das heißt, es könnte einer Person gehören, die sich nicht so häufig im Netzwerk aufhält wie die anderen, aber dennoch überall freien Zugang hat. Vielleicht muß sie im täglichen Leben viele andere Codes und Befehle im Gedächtnis behalten, und deshalb ist es einfacher für sie, das ganze Otherland-Zugangssystem in ein Ding zu packen, das man online zur Hand nehmen und dann wieder weglegen kann.‹
    Der Mörder, der mir erzählt hatte, sein Arbeitgeber hasse den Namen ›Dread‹, so daß ich damit jetzt seinen Namen weiß, nickte langsam.

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