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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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netten kleinen Besucher heimgegangen sein sollten, stoßen wir immer noch auf welche, die in unserm Netzwerk herumstromern und sich nicht darum kümmern, daß sie längst im Bettchen liegen müßten. Da fragen wir uns doch, warum, nicht wahr?« Er streckte einen langen Finger aus und strich über Fredericks’ schlaffes Gesicht; die Kralle kratzte die Haut auf, und es kam Blut. »O ja«, sagte Tefi heiter, als er mit seiner violettschwarzen Zunge die Klaue ableckte, »wir haben ganz viele Fragen!«

Drei
Scherben
    Sind zwei Pforten dort des Traumgotts: eine, so heißt es,
    ist aus Horn, läßt leicht die wahren Träume entschweben;
    schimmernd aus gleißendem Elfenbein ist die andre vollendet,
    falschen Traum aber senden aus ihr zum Himmel die Manen.
     
    Vergil, Aeneis
    (in der Übersetzung von J. und M. Götte)

Kapitel
Freitagabend am Ende der Welt
    NETFEED/NACHRICHTEN:
    Anford unterzieht sich weiteren Tests
    (Bild: Anford winkend und lachend bei einer Wahlkampfveranstaltung)
    Off-Stimme: Präsident Rex Anford soll sich weiteren Tests unterziehen, obwohl die Pressestelle des Weißen Hauses sich nach wie vor weigert, über die genaue Art seiner Krankheit Auskunft zu geben oder auch nur zu bestätigen, daß der erste Mann im Staat überhaupt krank ist. Anfords Präsidentschaft war von Anfang an von Gerüchten umwittert, und seine seltenen öffentlichen Auftritte wie auch sporadische Anzeichen von Verwirrung führten zu Meldungen, er leide an einem Gehirntumor oder an degenerativer Muskelschwäche. Das Weiße Haus gibt an, diese jüngste Testserie sei lediglich Teil einer routinemäßigen Kontrolle, und die Ärzte im Bethesda Naval Hospital schweigen sich wie üblich über den Gesundheitszustand des Präsidenten aus …
     
     
    > Auf ihrem Wandbildschirm prangte eine sechs Quadratmeter große Dateiencollage. Ihr Wohnzimmer war mit den Knabbereien und Abfällen und Aufzeichnungen des Nachmittags und Abends übersät. In einer winzig kleinen Wohnung häufte sich schnell alles an. Calliope überflog das Chaos und traf eine logische Freitagabendentscheidung.
    Ich bräuchte mal einen Tapetenwechsel.
    Sie hatte durchaus einiges erledigt, und das Wochenendgefühl hatte sich schon vor über einer Stunde unübersehbar in ihr breitgemacht wie ein gelangweilter, fauler Verwandter, der alle einfach dadurch zermürbte, daß er da war. Außerdem hatte sie in letzter Zeit ihr Privatleben ziemlich schleifen lassen.
    Die Erinnerung an die muffelige Kellnerin im Bondi Baby weckte plötzlich in ihr den Wunsch nach Kaffee und Kuchen. Oder bloß Kaffee. Oder vielleicht nur ein Platz am Rand des holographischen Ozeans und eine Chance, mit Little Miss Tattoo zu flirten. Sie blickte auf den Wandbildschirm, dessen Textreihen ihr auf einmal so undurchdringlich wie ein streng geheimer Militärcode vorkamen, und schaltete ihn mit einem Fingerschnalzen ab. Calliope starrte aus dem Fenster auf den mächtigen Buckel der Sydney Harbour Bridge, einen Lichterbogen, der wie die bildliche Darstellung einer Bachfuge wirkte. Manchmal reichte ihr der Anblick allein aus, um ihr Verlangen nach Kontakt mit der wirklichen Welt zu stillen, aber nicht heute abend. Sie wollte ausgehen, basta. Kein Mensch konnte die ganze Zeit nur arbeiten.
    Der wohnungsinterne Aufzug war unglaublich langsam. Die Fahrt vom einundvierzigsten Stock in die Parkgarage schien Monate zu dauern. Als sie unten ankam und ausstieg, schlug ihr von fern johlendes Gelächter und Stimmengemurmel entgegen. Wie es sich anhörte, legte ein Trupp herumziehender Obdachloser vor den Garagentoren eine feuchtfröhliche Zwischenstation ein. Calliope war nicht von der Aussicht erbaut, beim Hinausfahren verhindern zu müssen, daß welche von ihnen hineinkamen. Dies passierte leider sehr häufig, da das ganze Viertel ziemlich arm war. Calliopes Freunde hatten recht, wenn sie sie gelegentlich darauf hinwiesen, daß es außer der Aussicht nicht viel gab, was für ihre Wohnung sprach. Aber als Polizistin hatte man kein tolles Einkommen, und wenn besagte Polizistin es sich in den Kopf gesetzt hatte, einen Blick auf die Brücke und den Hafen zu haben, dann mußte sie sich entweder mit einer Wohnung in einem ziemlich heruntergekommenen Teil der Stadt abfinden oder mit einer Wohnung, die so eng war wie eine Sardinenbüchse, oder, wenn sie einen Teil ihres Monatsgehalts regelmäßig an ihre verwitwete Mutter in Wollongong überwies, mit beidem.
    Nach langem Hin- und Herrangieren hatte sie endlich den Wagen aus

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