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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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mit krimineller Vergangenheit« bezeichnet wurde – also ein Pirat, wie Calliope verdammt gut wußte, eines jener menschlichen Raubtiere, die in der Korallensee Boote und kleine Schiffe überfielen, sich die Fracht unter den Nagel rissen und das geenterte Schiff gleich mit, wenn es das Risiko eines Schwarzmarktverkaufs in Cairns wert war, und dann die Matrosen und Passagiere mit Maschinengewehren niedermähten, damit es keine Zeugen gab. Calliope war schon lange genug Polizeibeamtin in diesem Teil der Welt, um zu wissen, was ein »Bootsarbeiter mit krimineller Vergangenheit« war, und sie hatte auch schon viele Male Augen gesehen, die geschnitten waren wie die des kleinen Johnny: Es war nicht bloß ein Gerücht, daß der Junge einen asiatischen Vater hatte.
    Demnach stammte der australische Name des kleinen Johnny nicht von Papas Seite. Der richtige Nachname seiner Mutter Emmy, darüber waren sich die wenigen verbliebenen Sozialarbeiterberichte einig, lautete Minyiburu, obwohl sie unter diversen englisch klingenden Namen besser bekannt war, von denen sie »Emmy Wordsworth« am häufigsten benutzt hatte. Wo also kam »Wulgaru« her? Er hätte von einem aus der langen Reihe von Männern sein können, mit denen sie sich im Laufe der Jahre zusammengetan hatte, ein Versuch, ihren Sohn durch den Namen eines Stiefvaters zu legitimieren, aber nach dem, was die Akte über ihre schnell wechselnden, gewalttätigen Partner zu melden wußte – anscheinend ohnehin alles keine Aboriginemänner –, hatte Calliope den starken Verdacht, daß der Name anderen Ursprungs war.
    Aber welchen? Wieso sollte eine Aboriginemutter ihrem Sohn den Namen eines Ungeheuers aus den Sagen ihres Volkes geben?
    Calliope grübelte darüber nach und fühlte, wie sich eine vage Gewißheit zu bilden begann, unzweifelhaft eine Intuition, wie sie selbst dem größten Verächter hätte zugeben müssen, als das andere bohrende Problem, das mit dem Todesvermerk, sich urplötzlich erledigte, so daß ihr die Frage von Johnnys Namen aus dem Kopf geblasen wurde wie von einem starken, kalten Wind.
     
    Sie war so voll von ihrer frischen Entdeckung, daß sie nur unwesentlich verblüfft war, als ihr Gesprächspartner, der am anderen Ende ihren Anruf annahm, aussah, als hätte er einen Trip mit einer Zeitmaschine hinter sich, der ihn zwanzig Jahre jünger gemacht hatte. Erst als sie die Aknepickel bemerkte, konnte sie in ihrem zerfahrenen Zustand wieder einen halbwegs klaren Gedanken fassen. Sie hatte Mühe, sich an den Namen von Stans älterem Neffen zu erinnern, aber zuletzt fiel er ihr ein.
    »Hi, Kendrick. Ist dein Onkel da?«
    »Oh, yeah, Frau Skouros.« Er schien oberhalb von ihr etwas anzuschauen und konnte sich auch nicht davon losreißen, als er schrie: »Onkel Stan!« Es dauerte einen Moment, bis Calliope begriff, daß sie in einem Fenster in der Ecke des Wandbildschirms sein mußte.
    »Na, wie geht’s?« fragte sie den Jungen. »Läuft’s gut in der Schule?«
    Er schnitt ein Gesicht und zuckte mit den Achseln, offensichtlich nicht bereit, den Blick ganz von dem Knallen und Schreien auf dem oberen Teil des Bildschirms abzuwenden. Mehr war an Unterhaltung leider nicht drin, doch er war ein höflicher junger Mann und ignorierte sie nicht einfach: Beide warteten sie geduldig, bis Stan Chan erschien, woraufhin Kendrick blitzartig aus ihrem Blickfeld verschwand, wohl um das Geschehen auf dem Wandbildschirm von woanders aus besser verfolgen zu können.
    »Was gibt’s, Skouros?« Stan trug eines seiner gräßlichen Wochenendhemden, aber Calliope widerstand tapfer dem Drang, eine Bemerkung zu machen.
    »Ich arbeite. Und du bist beim Babysitten. Für Freitagabend blockt das ganz schön, Stan. Wenigstens einer von uns sollte wirklich mit jemandem ausgehen.«
    »Ich bin mit jemand ausgegangen.«
    Sie zog eine Braue hoch. »Dann bist du früh wieder zuhause.« Stan ließ sich auf keine weiteren Diskussionen über das Thema ein, deshalb sagte sie: »Ist ja auch egal. Hör mal, ich hab was gefunden. Ich wollte schon aufgeben und weggehen, einen trinken oder so, aber dann hab ich doch noch ein bißchen länger gearbeitet – das solltest du auch mal probieren, Stan –, und ich glaube, ich hab ’nen Coup gelandet.«
    Jetzt war es Stans Braue, die hochging. »Coup? Ist das aus ’nem Film oder so?«
    »Sei still. Ich denke, ich habe voll ins Schwarze getroffen. Scheiße, jetzt rede ich wirklich schon wie im Film. Hier, ich will dir was zeigen. Ich tu’s dir auf deinen

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