Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
Es kann nicht sein!« Er stand auf und blickte drohend auf sie nieder. »Wer war bei dir? Wer hat dich angerührt? Hast auch du mich verraten? Alle meine Geheimnisse ausgeplaudert?«
»Ich verstehe deine Worte nicht«, schrie sie flehentlich. »Ich bin dein, mein Gemahl, ganz allein dein!«
Er stürzte sich auf sie und schlug sie, bis sie nichts mehr sagen konnte, doch dann provozierte ihn ihre Stummheit nur noch mehr. Ein schwarzes Grauen toste in seinem Innern, ihm war, als ob eine Tür ins Nichts aufgesprungen wäre und er hindurchgestoßen würde. Die Nemesis seiner Kindheit erwartete ihn auf der anderen Seite – der unausweichliche Mister Jingo mit seinem höhnischen Gelächter. In einem Zustand völliger Umnachtung prügelte Jongleur auf sie ein, bis sie leblos und zerschunden vor ihm lag, dann floh er aus ihrem Lustschloß in die anderen Welten seines künstlichen Universums, allesamt plötzlich verdächtig, allesamt trostlos geworden.
In der kühlen Säulenhalle trat Stille ein. Die unbeteiligten Sklaven schwenkten weiter ihre Wedel über der regungslos auf dem Boden liegenden Gestalt auf und nieder, auf und nieder.
> »Hätt ich nich gedacht, daß dein Bruder dir das Auto gibt, in ’ner Million Jahre nich«, sagte Joseph, nachdem sie Gilbert und die Kinder zuhause abgesetzt hatten. Nach dem Besuch beim Elefanten hatten sich die beiden Brüder die ganze Strecke über gestritten. Joseph hatte sich dabei so köstlich amüsiert, daß er nicht einmal seine eigene Meinung zum Besten gegeben hatte, nämlich daß das Auto sowieso eine häßliche alte Karre war und er lieber was Luxuriöseres hätte. Es war erstaunlich, daß es in einem so großen und klotzigen Ding so wenig Platz für seine langen Beine gab.
»Die Anzahlung hat er von mir«, erwiderte Del Ray grimmig. »Die schuldet er mir noch. Und mit dem Zug kommen wir nicht in die Drakensberge, wenigstens nicht in den Teil.«
»Hättst ja ’nen netten Mietwagen nehmen können. Du hast doch Karten, oder?« Renie hatte ihm seine abgenommen, was ihn heute noch wurmte, aber sie hatte ihm seinerzeit ein Ultimatum gestellt – wenn sie das Geld verdienen und die Rechnungen bezahlen mußte, kam es nicht in Frage, daß er für seine »faulen, versoffenen Kumpane«, wie sie sie nannte, ständig Lokalrunden schmiß.
»Nein, hätte ich nicht«, versetzte Del Ray bissig. »Meine sämtlichen Karten sind gesperrt. Ich weiß nicht, ob Dolly das war oder … oder diese Männer, die hinter mir her waren. Ich habe nichts, gar nichts, verdammt nochmal! Meine Arbeit bin ich los, mein Haus …« Er verstummte, das Gesicht zu einer finsteren Grimasse verzogen, die ihn Jahre älter aussehen ließ. Joseph verspürte eine unbestimmte Befriedigung.
Sie bogen auf die N3 ab und scherten in den Verkehrsstrom ein. Die Regenwolken waren durchgezogen, und der Himmel war klar. Joseph sah weder einen schwarzen noch sonst einen Van: Die Autos in ihrer unmittelbaren Nähe waren kleine Stadtflitzer und ein paar lange Lastzüge. Er entspannte sich ein wenig, und gleich kam der Wunsch, etwas zu trinken, wieder hoch. Er machte sich an der Musikanlage des Wagens zu schaffen und fand einen Tanzmusiksender. Nachdem er mit Del Ray einen schwierigen Kompromiß wegen der Lautstärke ausgehandelt hatte, lehnte er sich gemütlich zurück.
»Wieso haste eigentlich mit meiner Renie Schluß gemacht?« fragte er.
Del Ray blickte ihn kurz an, aber sagte nichts.
»Oder hat sie mit dir Schluß gemacht?« Joseph feixte. »Damals hattste die ganzen flotten Anzüge und so noch nich.«
»Und heute habe ich sie auch nicht mehr.« Del Ray besah sich seine zerknitterten Hosen, die an den Knien ganz dunkel von Schmutz waren. Er fuhr eine Weile schweigend weiter. »Ich habe Schluß gemacht. Ich bin von ihr weggegangen.« Er warf Joseph einen gereizten Blick zu. »Was kümmert’s dich? Du hast mich nie gemocht.«
Joseph nickte, immer noch gut gelaunt. »Nein, da hast du recht.«
Del Ray schien eine scharfe Bemerkung auf der Zunge zu haben, aber schluckte sie herunter. Als er doch etwas sagte, war es, als redete er mit jemand anders, einem dritten Mitfahrer, der tatsächlich verständnisvoll zuhörte. »Ich weiß im Grunde nicht, warum wir auseinander sind. Irgendwie kam es mir richtig vor. Ich glaube, ich … ich war … einfach zu jung, um eine Familie zu haben, mich voll drauf einzulassen.«
»Was redste da?« Joseph schielte ihn von der Seite an. »Mit Familie hatse nix im Sinn gehabt. Sie wollt
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