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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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den ganzen Unikram studieren.«
    »Sie hatte ein Kind, oder so gut wie. Ich wollte kein Vater sein.«
    »Kind?« Joseph drückte sich aus seinem Sitz hoch. »Was is das jetzt? Meine Renie hat nie’n Kind gehabt!« Aber eine panische Stimme in seinem Innern fragte: Hast du das auch nicht mitgekriegt? Was ist alles gelaufen, als ihre Mama tot war und du jeden Tag bis zum Umfallen gesoffen hast?
    »Das sollte dir eigentlich klar sein«, sagte Del Ray. »Ich rede von deinem Sohn, Stephen. Renies Bruder.«
    »Spinnst du oder was?«
    »Es war, als wenn Renie seine Mutter wäre, das meine ich. Du warst die meiste Zeit über nicht da. Sie hat ihn großgezogen wie ihr eigenes Kind. Das war’s, denke ich, womit ich nicht umgehen konnte – einen kleinen Jungen zu haben, während ich selbst noch ein Junge war. Davor hat mir gegraut.«
    Joseph ließ sich wieder zurücksinken. »Ach so, Stephen. Du hast bloß Stephen gemeint.«
    »Ja.« Del Rays Stimme war voller Sarkasmus. »Bloß Stephen.«
    Joseph sah draußen die Hügel mit den Vorstädten von Durban vorbeigleiten, fremd wie ein anderer Kontinent, von unzähligen Leben wimmelnd, von denen er sich nur sehr vage Vorstellungen machen konnte. Es stimmte, Renie war eingesprungen, als Stephen die Mutter gestorben war. Das lag ja wohl in der weiblichen Natur, oder? Dafür konnte er schließlich nichts. Er mußte Geld verdienen gehen, dafür sorgen, daß sie was zu essen hatten. Und daß er irgendwann arbeitsunfähig wurde – tja, dafür konnte er auch nichts, nicht wahr?
    Die Vorstellung von Stephen in seinem Krankenhausbett, von der verschwommenen Gestalt unter dem Plastikzelt, ließ Joseph schaudern. Er beugte sich vor und fummelte sinnlos an den Musikreglern herum. Er wollte nicht glauben, daß es derselbe Stephen war wie der kleine Junge, der damals in Port Elizabeth auf den Baum gekraxelt war und sich geweigert hatte herunterzukommen, ehe er ein Affennest gefunden hatte. Es war leichter, in ihnen zwei ganz verschiedene Menschen zu sehen – den echten Stephen und die schreckliche Attrappe da im Bett, eingekrümmt wie ein toter Käfer.
    Als seine Frau Miriam auf der Verbrennungsstation gelegen hatte und das Licht in ihren Augen langsam erloschen war, hatte er sich gewünscht, er könnte irgendwie hinter ihr her, ihr in den Tod folgen und sie nehmen und wieder in die Welt tragen. Er hatte gedacht, er würde alles tun, alles wagen, jeden Schmerz ertragen, um sie zu finden und zurückzubringen. Aber er konnte nichts tun, und der Schmerz war viel schlimmer gewesen als alles, was er sich hatte ausmalen können. Trinken? Wenn der Ozean Wein gewesen wäre, hätte er ihn von Küste zu Küste ausgetrunken, damit bloß dieses zerreißende Gefühl aufhörte.
    Aber machte Renie nicht genau das, was er damals gewollt hatte? Ging sie nicht hinter Stephen her, auch wenn es noch so wenig Hoffnung gab, und tat alles, um ihn zu finden und aus dem Tod zurückzuholen?
    Gerade bogen sie hinter einem Laster auf die Überholspur, und einen Moment lang stach die Nachmittagssonne Joseph in die Augen und blendete ihn. Sich vorzustellen, daß so viel Liebe in ihr war, daß diese Liebe am Leid wuchs wie eine grüne Ranke, die an einem toten Baum emporkletterte. Es war, als ob das, was insgeheim in Joseph vorgegangen war, als Renies Mutter im Sterben gelegen hatte, wortlos von ihm auf seine Tochter übergesprungen wäre. Es war ein Rätsel, ein großes, schreckliches Rätsel.
    Er blieb lange still, und Del Ray schien nichts dagegen zu haben. Die Musik dudelte weiter, muntere, fröhliche Rhythmen, dazu gedacht, die Sorgen zu vertreiben. Hinter ihnen legte sich die Abenddämmerung über Durban.
     
     
    > Nachdem Gilberts alte Limousine vom Lagerhaus abgefahren war, warteten sie nur zwei Minuten, ehe sie aus dem schwarzen Van heraussprangen. Die drei Männer, zwei schwarze, ein weißer, verloren keine Zeit. Einer schob eine Karte in den Haustürschlitz, die den Handleser außer Kraft setzte. Schweigend stiegen sie hintereinander die Treppe hinauf. Sie brauchten nicht lange, um die Tür zu den Räumlichkeiten des Elefanten zu finden.
    Einer der beiden Schwarzen klatschte eine Halbkugel selbsthaftendes Hammergel dicht unter der Klinke auf die Tür, dann traten alle drei zurück. Die lokale Explosion zertrümmerte den Riegel und zerschmorte die innere Elektronik der Tür, aber dennoch mußten sie sich noch zweimal dagegenwerfen, bevor sie aufsprang.
    Der Elefant hatte einen Haken in den automatischen

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