Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
abgefeuert worden, und falls ihr Gegner den Arm auch nur für einen ungehinderten Schuß freibekam …
Sie tat einen Schritt auf die beiden zu, da stolperte sie über etwas. Erst als sie auf Händen und Knien in Blut rutschte, erkannte sie, daß es Florimels lebloser Körper war. Sie stand vorsichtig auf, um nicht auszugleiten, und stürzte sich dann mit einem Satz auf den im Kreis sausenden Gegner, bekam ihn zu fassen und schleuderte ihn nahe einem der zerbrochenen Fenster an die Wand. Er ging in die Knie, aber nicht zu Boden. Er kämpfte immer noch mit !Xabbu , den er einfach nicht von seinem Gesicht wegbrachte, doch es war ihm gelungen, die Pistole aus dem Griff des Pavians zu lösen. Bevor er sie auf einen seiner Bedränger richten konnte, packte Renie das schlanke Handgelenk mit beiden Händen und schmetterte es an die Wand. Die Waffe fiel polternd zu Boden und weiter die Treppe hinunter ins Dunkel.
Als Renie sich umdrehte, sah sie gerade noch, wie das ineinander verklammerte Paar !Xabbu und Quan Li auf das Fenster zuschlingerte. Das Fensterbrett stieß dem Mörder im dunkelhaarigen Frauensim in die Kniekehle; er wedelte Gleichgewicht suchend mit den Armen, doch der krallende Affe nahm ihm die Sicht. Er kippte, faßte ins Leere und fiel dann mit !Xabbu , der immer noch an seinem Kopf hing, rückwärts hinaus.
Renie schrie auf, doch das Fenster rahmte nur noch den leeren Abendhimmel ein.
Da ertönte von draußen ein Geräusch, und sie stürzte vor, um hinauszuschauen. Zu ihrer Verblüffung hatten sich die beiden nicht zu Tode gestürzt, sondern waren ein paar Meter tiefer auf ein Schrägdach gefallen, das seitlich vom Turm abstand wie eine Markise und mit einer niedrigen Brüstung abschloß. Hinter der Brüstung kam nur noch Luft, der endgültige Sturz auf die weit unten liegenden Dächer des Hauses. !Xabbu war das Dach zur Hälfte hinuntergerutscht. Die falsche Quan Li hatte den höheren Standort.
Der Mörder hatte eine Stange mit einem Metallhaken an einem Ende gefunden, ein Werkzeug, das wohl ein schon lange verstorbener Arbeiter liegengelassen hatte, und schwang sie wie eine Sichel, so daß !Xabbu immer weiter nach unten zurückweichen mußte, bis er schließlich auf der Brüstung stand. Renie sah mit Bangen, wie die Bestie in Quan Lis Körper die Stange ein ums andere Mal sausen ließ und !Xabbu zwang, auf der Randbegrenzung zurückzutänzeln. Nur seine Kleinheit und seine schnellen Reflexe retteten ihn, aber er mußte sich über die Brüstung fallen lassen, um dem letzten Schlag auszuweichen. Einen Moment drohte Renie das Herz stehenzubleiben, als er an den Händen im Freien baumelte, bevor er sich wieder hochzog, aber der Angreifer schwang weiter blitzschnell und tückisch die Stange und hatte es offenbar darauf abgesehen, ihn in die Ecke der Brüstung zu treiben. Renie wollte !Xabbu unbedingt zu Hilfe kommen, wußte aber, daß sie nicht so tief springen und danach auf der Dachschräge sicheren Stand behalten konnte.
Die Pistole! dachte sie, doch dann fiel ihr ein, daß sie die Treppe hinuntergefallen war. Selbst wenn sie nicht schon in mehrere antike Stücke zerbrochen war, wäre !Xabbu sicher schon tot, ehe sie sie gefunden hatte.
Da hörte sie ein Scharren hinter sich. Sie fuhr herum und sah T4b die Treppe hochwanken.
»Er hat dich doch erschossen«, sagte Renie und merkte erst, als die Worte heraus waren, wie dumm die Bemerkung war.
»Siehste.« Er zögerte einen Moment auf der obersten Stufe, wo Emily zusammengekauert die Hände vors Gesicht hielt und weinte, dann stieg er, ohne hinzugucken, aber doch mit einer gewissen Vorsicht über Florimel hinweg. T4bs gepanzerte Brust war eine aufgeworfene schwarze Masse, die nach geschmolzenem Plastik aussah. Von seiner weiten Kutte waren nur noch Fetzen übrig. »Deshalb hab ich ’nen Manstroid D-9 Screamer genommen. Sattes Gear.«
»Hilf mir hier runter! Er treibt !Xabbu auf dem Dach in die Enge.«
T4b beäugte das Fenster, dann wieder Renie. »Echt?«
»Herrgott, natürlich echt! Er bringt ihn um!« Sie schnappte sich die auf dem Boden liegende geschärfte Vorhangstange, die ihr beim ersten Schuß vor Schreck aus der Hand gefallen war, lehnte sie an die Wand und stieg aufs Fensterbrett, wenigstens dafür dankbar, daß die Scherben schon vor langem aus dem Rahmen gefallen waren. »Nimm meine Hand, stütz dich ab, und laß mich möglichst vorsichtig runter. Ich schau, ob ich irgendwo Fuß fassen oder mich festhalten kann.«
T4b gab einen
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