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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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und drückte sie sanft auf den Sitz. Der Junge glotzte sie nur an. Es war komisch, aber er sah auf einmal viel kleiner aus. Seine Haare waren naß und klebten ihm am Kopf, und Jackett und Hose waren so groß, daß er ihr wie ein richtig kleiner Junge vorkam, der sich verkleidet hatte.
    Aber leiden konnte sie ihn immer noch nicht. »Kommt er mit uns?«
    »Ja, Liebling.« ihre Mami war ihr beim Anschnallen behilflich. Christabel quetschte sich auf eine Seite, damit zwischen ihr und dem gräßlichen Jungen möglichst viel Abstand war, aber er beachtete sie nicht weiter. »Heute ist alles ein wenig … ungewöhnlich«, sagte ihre Mutter. »Weiter nichts. Schlaf, wenn du kannst.«
     
    Sie konnte nicht schlafen, und sie konnte nicht aufhören, über den Jungen nachzudenken, diesen Cho-Cho, der dicht in ihrer Nähe saß und aus dem Fenster guckte. Sie konnte auch nicht aufhören, über Herrn Sellars nachzudenken, der hinten unter der Schutzmatte lag. Wollten sie den Jungen nach Hause bringen? Wieso wollte Herr Sellars, daß er mitkam? Und wieso versteckte sich Herr Sellars, wenn Mami und Papi doch von ihm wußten und einsahen, daß er kein schlechter Mensch war? Sie hoffte, es tat seinen Beinen nicht weh, wenn er so krumm liegen mußte. Sie hoffte, er hatte keine Angst. Er hatte gesagt, er werde sich beschäftigen, aber womit konnte er sich schon im Dunkeln beschäftigen, auf so engem Raum?
    Am Himmel war es ein ganz klein bißchen hell, als sie auf das Haupttor des Stützpunkts zufuhren, gerade genug, um die Bäume wie schwarze Scherenschnitte aussehen zu lassen. Die meisten Häuser hatten vorne dran oder innen drin ein Licht brennen, aber die ohne sahen düster und traurig aus.
    Ihr Papi redete ein paar Minuten lang mit dem Soldaten beim ersten Wachhäuschen. Ein anderer Soldat schien sie und Cho-Cho durch das Fenster anzuschauen, aber sie war sich nicht sicher, weil sie sich schlafend stellte.
    Beim zweiten Wachhäuschen hielten sie kürzer, dann waren sie draußen vor dem Zaun und fuhren die Straße hinunter. Sie konnte jetzt den Himmel sehen, ganz grau, aber mit Licht unten am Rand. Ihre Eltern unterhielten sich leise, aber sie zankten sich nicht. Der gräßliche Junge hatte die Augen geschlossen.
    Christabel konnte an nichts mehr denken. Das sanfte Geschuckel des Wagens und das Geräusch des Motors weckten in ihr den Wunsch, richtig einzuschlafen, und sie schlief ein.
     
     
    > »Ich hatte gehofft, wir wären hier fertig«, sagte Ramsey.
    »Nicht meine Schuld«, erwiderte Beezle. »Die Mitteilung war nicht von mir.«
    Catur Ramsey seufzte. Die Straßen und Gassen von Madrikhor gewannen langsam eine triste Vertrautheit. »Wo, hast du gesagt, muß ich hin?«
    »In die Straße der Silbertaler«, antwortete ihm die körperlose Stimme. »Wenn du zum Nornenbrunnen kommst, rechts. Es ist nicht allzu weit.«
    »Du hast leicht reden«, grummelte Ramsey.
     
    Er war dem letzten von mehreren Hinweisen nachgegangen, die er den Dateien des jungen Polito – hier in Mittland bekannt als Zauberer Dreyra Jarh – entnommen hatte, und wie vorher auch war nichts dabei herausgekommen. Wie vorher auch war dieses Nichts zudem auf die besondere mittländische Art herausgekommen, die anscheinend stets einen langen Fußmarsch irgendwohin erforderte. Wie sich herausstellte, war die Kontaktperson – ein anderer Möchtegernzauberer – aus seinem Hexerhaus im Finsterwald ausgezogen, doch als Ramsey auf der malerisch verfallenen Veranda stand und den fruchtlosen Gang verfluchte, hatte er in seiner Tasche eine kryptische Mitteilung gefunden, ein zusammengefaltetes viereckiges Stück Pergament, auf dem »Das Blaue Buch des Salpetrius« stand und das, wie er sehr genau wußte, zu Beginn der Expedition noch nicht dagewesen war.
    »Wie ist das dahin gekommen?« hatte er von Beezle wissen wollen.
    »Schlag mich tot«, hatte der Agent geantwortet, dessen Gear anspruchsvoll genug war, um ein verbales Schulterzucken zu übermitteln. »Eins von den schwarzen Fuchshörnchen vielleicht. Von denen sind heute ’ne Menge rumgesprungen.«
    Ramsey hatte nur den Kopf schütteln können. Wie sollte man in einem Fall, bei dem es um Leben und Tod ging, Fortschritte machen, wenn man halbwüchsigen Zauberern hinterherlaufen mußte und gedungene Fuchshörnchen einem Informationen zuschmuggelten?
     
    »He, Beezle, ist das Scriptorium nicht da drüben?« Ramsey deutete auf einen wuchtigen Turm, der sich ein paar Ecken weiter über die umstehenden Gebäude erhob.

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