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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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steckten ihn wieder in die Schule und kauften ihm eine preiswerte Konsole, damit er seine Datenzapffähigkeiten nutzbringend anwenden, vielleicht eines Tages sogar beruflich verwerten konnte.
    Es wurde rasch deutlich – und hierüber äußerte sich T4b zum erstenmal ausführlich, wenn auch wie immer etwas verquast –, daß er ein Naturtalent war. (»Megaklasse Netzhäckser«, lautete seine Selbstbeschreibung.) Seine Großeltern gewannen den Eindruck, ihr Experiment könnte womöglich gelingen. Natürlich war die Sache nicht ganz problemlos – eine der Hauptattraktionen des Netzes war, daß er weiter mit seiner alten Bande herumziehen konnte, wenn auch bloß virtuell –, aber es war durchaus so, daß der junge Javier auf einmal ein Gefühl von Freiheit und offenen Möglichkeiten erlebte, das ihm vorher unbekannt gewesen war. »Zombig bombig«, nannte er die Erfahrung geradezu poetisch. Aber wie er im weiteren ausführte, wurde das Netz erst dann zu seinem fast ausschließlichen Lebensinhalt, als eine mysteriöse Krankheit seinen Freund Matti erwischte.
    »Das höre ich zum erstenmal, daß jemand deines Alters von dem Online-Virus der Gralsbruderschaft, oder was es sonst sein mag, befallen wird«, bemerkte Florimel. »Von der Sache, an der auch meine Eirene erkrankt ist.«
    »Und?« entgegnete T4b barsch. »Meinste, ich dupp?« Seine unveränderliche Maske mit der grimmigen Miene eines Kabukikriegers und sein eng anliegender, stacheliger Ganzkörperpanzer machten es schwer, den Namen Javier mit ihm zusammenzubringen, aber man konnte darunter sehr wohl das unsichere Straßenkind spüren.
    Im Grunde, dachte Renie, tragen sie sowieso alle das gleiche Kostüm. Ob sie aus meiner Straße in Pinetown kommen oder aus »So-Phi«, oder wie das heißt, die meisten von ihnen sind derart gepanzert, daß sie sich kaum noch bewegen können. Nur daß man es hier in der VR tatsächlich sehen kann.
    »Ich meine gar nichts«, sagte Florimel ruhig. Jetzt, wo sie endlich ihre Geschichte erzählt hatte, war die vorherige Schroffheit zu einem gut Teil von ihr abgefallen; sie klang, fand Renie, beinahe menschlich. »Ich versuche nur, Informationen zu bekommen, die für uns alle wichtig sein könnten. Wie alt war dieser Matti, als das passierte?«
    T4b starrte sie an und wandte sich dann abrupt ab, wobei er sich in Sekundenschnelle von einem furchterregenden Roboter in ein Kind im Stachelkostüm verwandelte. Renie fragte sich, ob es nicht angebrachter wäre, sich nach seinem Alter zu erkundigen.
    »Bitte antworte. Es könnte uns helfen, T4b«, sagte Martine. »Wir sind alle aus denselben Gründen hier, oder wenigstens sind wir alle denselben Gefahren ausgesetzt.«
    T4b nuschelte etwas.
    »Was?« Renie bezähmte den Drang, ihn zu schütteln, in erster Linie deshalb, weil es kaum gefahrlos anzufassende Stellen an ihm gab. Sie hatte es noch nie vertragen, wenn die Leute Katz und Maus mit ihr spielten. »Wir verstehen dich nicht.«
    In T4bs ruppigem Ton klang die Scham durch. »Neun. Erst neun. Aber da war nix säuisch dran – nicht wie bei diesem William. Bin kein Babysexer, äi.«
    »William hat gesagt, daß er nichts Unrechtes gewollt und getan hat«, warf Martine mit einer derart begütigenden Stimme ein, daß Renie unwillkürlich nicken mußte. »Ich habe ihm geglaubt. Und dir glaube ich auch.«
    Renie meinte, von Florimels Mund die Worte Ich nicht ablesen zu können, aber sie wurde von T4bs Reaktion abgelenkt.
    »Ihr rafft das nicht.« Er griff sich eine Handvoll der unirdischen Erde und zerquetschte sie in seiner servomotorischen Faust zu durchsichtigem Pulver. »Matti, der war cräsh, hat mehr draufgehabt als ihr alle. Hier, da, überall ist der rein im Netz. Für ’nen Mikro war der extramax. Was den erwischt hat, muß megatransmäßig gewesen sein. Also hab ich mich voll bematrixt und bin los, ihn suchen.« Es folgte eine Beschreibung seiner Suchaktion im ganzen Netz, die Monate gedauert haben mußte und darin gipfelte, daß er in der Nähe einer Ehrenmauer in einem VR-Park, in dem sich die jüngsten Goggleboys wie Matti tummelten, eines von Sellars’ goldenen Juwelen entdeckte.
    Renie fragte sich, ob Javier Rogers’ Großeltern reich waren, und wenn nicht, wie er es sich leisten konnte, so lange online zu bleiben; sie hätte auch gerne gewußt, wer sich im Augenblick um T4bs physischen Körper kümmerte. Plötzlich meldete sich Emily mit einer Frage, die Renie selbst hin und wieder auf der Zunge gelegen hatte.
    »Sag mal«,

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