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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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glauben, nicht wahr? Auf jeden Fall sind seine sämtlichen Unterlagen gefälscht, deshalb können wir nicht wissen, was wirklich mit ihm ist. Ein paar Monate nach dem angeblichen Tod unseres Knaben stirbt Polly Merapanui, brutal verstümmelt, eine echte Psychonummer. Hört sich das alles halbwegs richtig an?«
    Calliope hatte vorher Hunger gehabt, aber jetzt war ihr nicht mehr danach, ihren Salat aufzuessen. »Ja. Halbwegs richtig.«
    »Du siehst, wo das hingeht, nicht?« Stan stellte die Füße auf, beugte sich vor und sah sie durchdringend an. »Der kleine Johnny Dread ist quasi von Geburt an dazu dressiert worden, Schmerz und Leid zu bereiten. Bis jetzt ist er immer mit allem durchgekommen. Er ist ein intelligenter, grausamer, soziopathischer Schweinehund – wer weiß, vielleicht ist er wirklich der Antichrist.« Sein Grinsen war freudlos. »Also … warum sollte er aufhören zu morden? Für seine Begriffe ist er wie ein Erwachsener in einer Welt von Kindern. Ihn kann keiner. Warum sollte er aufhören zu morden?«
    Calliope lehnte sich zurück und schloß einen Moment lang die Augen. »Er würde nicht aufhören.«
    Stan nickte. »Das denke ich auch. Das heißt, entweder er ist auf und davon, weit weg, nach Amerika oder Europa, oder er ist hier. Möglicherweise sogar noch in Sydney. Direkt vor unserer Nase. Und er mordet weiter.«
    Die Sonne verschwand hinter einer Wolke, und ein Schatten strich über die hohen Fenster des Museumsrestaurants. Vielleicht war es Einbildung, aber es kam Calliope so vor, als ob in dem Moment alle Gäste in dem großen, hallenden Raum verstummten.
     
     
    > Sie hielten am Straßenrand an, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Schroff und abweisend erhoben sich die Drakensberge vor ihnen. Die blasse Sonne war bereits dabei, hinter den Gipfeln zu versinken; Schatten lagen auf den Flanken der Berge, und die hohen verschneiten Stellen leuchteten unheimlich.
    »Das … Ich bin hier noch nie gewesen.« Del Rays dunstiges Atemfähnchen verwehte in der kalten, klaren Luft, als er zu der Kette zackiger Gipfel emporblickte. »Ganz eindrucksvoll irgendwie. Ich kann nicht behaupten, daß es wie ein lauschiges Plätzchen für einen längeren Aufenthalt aussieht.«
    »Du hast ja keine Ahnung, Mann«, sagte Long Joseph gutgelaunt. Er war schon einmal hiergewesen, noch vor gar nicht so langer Zeit, und er betrachtete die Gegend mit einem gewissen umfassenden Besitzerstolz. Außerdem war es immer gut, einem jungen Bescheidwisser wie Renies Ex einen Dämpfer aufzusetzen. »Das hier is dein Erbe. Es is … es is Geschichte, verstehste? Die kleinen Leute, die Buschmänner, die ham hier überall gelebt. Bevor der weiße Mann gekommen is und sie alle abgeknallt hat.«
    »Tolles Erbe.« Del Ray klatschte in die Hände. »Komm, ich will nicht im Dunkeln nach diesem Stützpunkt suchen, und weiß der Geier, wie weit wir fahren müßten, um hier eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden.«
    »Nein, das wär nix für dich, hier im Dunkeln rumzumachen«, stimmte Long Joseph zu. »Das is kein Zuckerschlecken.«
     
    Die Fahrt war lang und öde gewesen, aber nachdem Joseph einmal durchgesetzt hatte, daß er das Radio anstellen und gelegentlich mitsingen durfte – erkauft mit dem Versprechen, die Füße nicht aufs Armaturenbrett zu legen, auch wenn er noch soviel an der Beinfreiheit auszusetzen hatte –, waren er und Del Ray halbwegs einvernehmlich miteinander ausgekommen. Die Stimmung war weiter gestiegen, als Joseph in der Sitzspalte ein paar Münzen fand und Del Ray bewegen konnte, an einem Laden mit Kneipe am Straßenrand anzuhalten, einem Rasthaus, das zwar zu klein war, um ein Hologramm oder auch nur eine Neonreklame zu haben, aber auf dessen handgemaltem Schild die einzigen Worte standen, auf die es ankam – »KALTE GETRÄNKE«. Trotz einiger halbherziger Einwände von Del Ray, der meinte, das Geld gehöre von Rechts wegen seinem Bruder Gilbert, da es sein Wagen sei, legte Joseph den glücklichen Fund in vier Flaschen Mountain Rose an. Er hatte eine schon halb ausgetrunken, bevor sie von dem matschigen Parkplatz herunter waren, doch dann fiel ihm ein, daß es im »Wespennest« keinen Alkohol gab, und so stöpselte er die Flasche zu, stolz auf seine eiserne Selbstdisziplin.
    Während Del Ray am Steuer saß, ließ Joseph ihn ein wenig in den Genuß seiner Weltanschauungen und Gedanken kommen und las zwischendurch bei Bedarf die Landkarte, was nicht zu vermeiden war, da der Routenleser in dem alten Wagen

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