Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
auch eines von diesen großen Zeissing-Metzgermessern. Ach so, und außerdem gab es geringfügige Ähnlichkeiten bei der Art der Wunden, hauptsächlich wegen der Größe und Form des Messers, nehme ich an. Das und das Fehlen von forensischen Daten. Aber sonst ist alles anders. Der Real Killer – den Namen bekam er nur, weil sein erstes Opfer Real hieß und weil er nie von den Überwachungskameras aufgenommen wird – ist auf gutsituierte weiße Frauen aus, meistens jünger, aber gewiß keine Mädchen wie Polly. Die Verstümmelungen, die er an seinen Opfern vornimmt, sind auch viel weniger bizarr als bei Merapanui. Warum?«
»Weil mir irgendwas an den Informationen in diesem Fall komisch vorkommt und … na ja, die Art, wie die Unterlagen gelöscht wurden, ist ziemlich merkwürdig.«
»Leute häcken sich ständig in alle möglichen Systeme, Stan, selbst in unser System. Erinnerst du dich nicht mehr an den mehrfachen Mord am Bronte Beach, wo die Freundin von dem Kerl …«
»Das mein ich nicht«, unterbrach ihr Kollege sie ungeduldig. »Es erstaunt mich nicht, daß sich jemand in das System reingehäckt und an den Dateien von dem Typ rumgepfuscht hat, was mich erstaunt, ist die Art, wie. Ich kenn mich mit dem Zeug aus, Skouros, ich hab vor wenigen Jahren erst ’nen Auffrischungskurs auf der Polizeischule gemacht. Es gibt in der Regel zwei Möglichkeiten. Entweder sie schuften und schwitzen, bis sie in ein System reinkommen, aber machen sich nicht klar, wie viele parallele Systeme es gibt, und lassen alle ausgelagerten Sachen stehen, oder sie gehen ordentlich professionell vor, sobald sie drin sind, und setzen ein Dataphage an.«
»So ein Datenfressergear.«
»Genau. Das verfolgt planmäßig den Namen, oder was auch immer, von System zu System, bis alles eliminiert ist – alles, auch Sachen über andere Leute mit demselben Namen! Du kannst dir so ein Ding in jedem Häckerladen auf dem schwarzen Markt besorgen. Aber was unser Freund gemacht hat – falls er es war –, liegt irgendwo dazwischen. Er hat überall kleine Datenfitzelchen rumliegen lassen. Ziemlich schlampig, wenn du mich fragst. Es ist, als hätte er Sachen geschafft, die kein normaler Gearfex hinkriegt, nämlich in jede Menge verschiedene Systeme eindringen, ohne ertappt zu werden, aber als hätte er nicht genug Grundkenntnisse gehabt, um sich einen Datenfresser zu besorgen und die Sache gründlich zu machen.«
Calliope war sich nicht sicher, worauf das hinauslief. »Und?«
»Und da mache ich mir so meine Gedanken über den Real Killer und das unheimliche Glück, mit dem er sämtlichen Überwachungssystemen, automatischen Kameras und Dings und Bums entgeht. Ich weiß nicht. Ich bin noch nicht zu ’nem Schluß gekommen.«
»Das kommt mir ziemlich weit hergeholt vor, Stan. Und wenn die Leute vom Sonderdezernat keine handfeste Verbindung zwischen unserm einen Mord und ihren vielen finden, brauchen wir mit Spekulieren gar nicht erst anzufangen. Es ist leider so: Wir haben einen kleinen, unbedeutenden Fall und sollten uns damit abfinden.«
Stan nickte. »Kann sein, aber du hast noch nicht alles gehört, was ich mir so denke, und ein paar von den Sachen, die du heute gesagt hast, deine Theorie, bestärken mich eher noch darin. Nehmen wir mal an, was du gesagt hast, stimmt, okay? Dieser Knabe ist in brutalen Verhältnissen aufgewachsen, mißbraucht von der Mutter und einer ganzen Latte von Liebhabern – soviel wissen wir, da brauchen wir gar nicht zu spekulieren. Aber gehen wir mal von deiner These aus und denken uns, seine Mutter hat ihn systematisch gequält, um sowas wie ’ne Terrorwaffe aus Fleisch und Blut aus ihm zu machen. Hat ihn vollgepfropft mit Horrorgeschichten, mit religiösen Wahnvorstellungen, ihm praktisch das Messer in die Hand gedrückt und ihn aufgefordert zu morden, morden, morden. Gut. Das Profil paßt – er ist von klein auf ein Polizeifall, den ganzen Lebenslauf über gibt es immer wieder verdächtige Todesfälle, dazu ein paar, bei denen wir wissen, daß es Mord war, ob man nun die Geschichte von der vorübergehenden Geistesgestörtheit abkaufen will oder nicht. Dann kommt er ins Feverbrook Hospital, und alle bepissen sich darüber, wie clever und schnell und böse er ist – es hat nicht viel gefehlt, und der alte Doktor Danney hätte ihn den Antichrist persönlich genannt. Dort lernt er Polly Merapanui kennen. Kurze Zeit später kommt unser Johnny Dark alias John Dread plötzlich ums Leben. Aber wir mögen das nicht mehr
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