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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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sich für das Aboriginal Cultural Revival zu engagieren.«
    »Tja, unsere verstorbene Freundin Polly scheint auch nicht grade ein ACR-Typ gewesen zu sein.«
    »Ich weiß, aber … aber irgendwas könnte da im Busch sein. Ich hab ein paar Ideen, ich krieg sie bloß nicht richtig festgemacht.« Sie beugte sich vor, um den Begleittext zu lesen, der zwei Fingerbreit vor der Wand gespenstisch in der Luft schwebte. »Da steht: ›Tiwi-Grabpfähle hießen pukumani, eine allgemeine Bezeichnung, die heilig oder tabu bedeuten konnte. Sie wurden auf dem Grab aufgestellt, manchmal Monate nach der eigentlichen Bestattung, und dienten als Mittelpunkt für komplizierte Trauerzeremonien mit teilweise mehrtägigem Singen und Tanzen.‹«
    »Schade, daß ich das verpaßt hab – im Moment geht’s hier ja eher ruhig zu.«
    Calliope verzog das Gesicht. »Irgendwas ist da dran, und ich versuch rauszukriegen, was. Es muß einen Grund für die Woolagaroo-Nummer geben – die Steine in den Augen. Es muß auch einen Grund dafür geben, daß er gerade auf Polly Merapanui verfiel. Er kannte sie aus dem Feverbrook Hospital. Wieso waren sie in Sydney zusammen? Womit hat sie seinen Haß erregt?«
    »Alles gute Fragen«, sagte Stan gelassen. »Nur, was haben sie mit hölzernen Grabpfählen zu tun?«
    »Wahrscheinlich nichts«, seufzte sie. »Ich suche nach Anhaltspunkten. Immerhin ist das hier eine der bedeutendsten Tiwi-Ausstellungen in der Stadt – ich dachte einfach, ich schau mal rein.«
    Sein Lächeln war überraschend herzlich. »Vielleicht sollten wir uns ’nen Happs zu essen holen – schließlich ist das unsere Mittagspause. Gibt’s hier drin nicht ’nen Imbiß oder sowas?«
     
    Calliope hatte gerade ihre Salatwoche und widerstand sogar tapfer dem Feta, den sie sich mit einigermaßen gutem Gewissen hätte draufbröckeln können. Sie hatte sich fest vorgenommen, ein wenig abzuspecken. Sie war noch nicht wieder ins Bondi Baby gegangen, um die Kellnerin wiederzusehen, und benutzte die Aussicht darauf als Köder: fünf Kilo runter, neue Klamotten, dann schauen, ob das Mädchen mit der Tätowierung ihr wirklich vielsagende Blicke zugeworfen oder lediglich vergessen hatte, ihre Kontaktlinsen einzusetzen.
    Stan war einer von diesen ekelhaften Typen, die wie ein Schwein fressen konnten und dennoch nicht zunahmen. Er hatte sich sein Tablett nicht nur mit Sandwich und Chips, sondern auch noch mit zwei Portionen Nachtisch vollgeladen.
    »Ich hab eine Theorie«, sagte Calliope, während sie kummervoll auf ein Tomatenscheibchen einstach. »Hör sie dir einfach an, und sag erst, wenn ich fertig bin, daß ich spinne, okay?«
    Stan Chan grinste mit sandwichprallen Backen. »Okö. Fief lof.«
    »Seit ich drauf gekommen hin, läßt es mir keine Ruhe. Der wirkliche Name von unserm Johnny, jedenfalls der Name in der Geburtsurkunde, lautet John Wulgaru. Aber sein Vater war mit ziemlicher Sicherheit dieser Filipino …«
    »Ber Pirab.«
    »Der Pirat, genau. Und von den festen Freunden seiner Mutter war kein einziger Aborigine. Zudem hat sie niemals den Namen Wulgaru geführt, und in den drei Generationen ihrer Vorfahren, die ich recherchiert hab, taucht er auch nirgends auf.« Calliope gab ihre Versuche auf, die Tomate aufzuspießen, und nahm sie mit den Fingern. »Was soll das also? Wieso gibt sie ihm diesen Namen? Wenn es bloß ein Name wäre, der nichts zu bedeuten hätte, würde ich nicht so drauf rumreiten, aber es ist der Name eines extragruseligen Aboriginemonsters, einer Holzpuppe, die lebendig wird, und es ist auch das Vorbild für die Art, wie er Polly Merapanui umgebracht hat, es muß also irgendwas dran sein.«
    Stan hatte endlich den Mund leer. »So weit, so gut, aber alles bis hinauf zum ›Was soll das?‹ ist dabei der einfache Teil.«
    »Ich weiß.« Sie runzelte die Stirn. »Jetzt kommen wir zu meiner Theorie. Der Woolagaroo war … wie sagte diese Professor Jigalong nochmal? ›Eine Metapher dafür, daß die Bestrebungen des weißen Mannes, die Urvölker zu kontrollieren, irgendwann auf ihn selbst zurückschlagen könnten‹, oder so ähnlich. Vielleicht hatte seine Mutter das von Anfang an mit ihm vor. Vielleicht wollte sie ein Monster aus ihm machen – oder zumindest ein Werkzeug ihrer Rache.«
    »Langsam, Skouros. Du hast selbst gesagt, daß seine Mutter zu sehr mit Strichen und Spritzen beschäftigt war, um sich irgendwie politisch zu engagieren.«
    »Ich rede nicht unbedingt von Politik.« Sie merkte, daß ihre Stimme laut wurde;

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