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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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jugendliche Gesicht, vor einem Tag noch das eines Fremden, tat ihr jetzt schon gut, wenn nur ihr Blick darüberstrich.
    »Gut. Das ist die richtige Einstellung. Wer weiß, vielleicht sind diese ganzen Kampfspiele doch zu irgendwas nutze. Vielleicht härten sie einen ab.«
    »Er hatte schreckliche Angst, genau wie wir.« !Xabbu drückte ihre Hand. »Wenn er schläft, dann ist er morgen vielleicht wacher und ausgeruhter. Wir müssen alle gegenseitig auf uns aufpassen, so wie heute.«
    »Wir hatten Glück. Wir hatten einfach ein Mordsglück.« Renie wollte nicht an das Wagenrad denken, das !Xabbu beinahe überrollt hatte, oder an den Speer, der ihr über die Schulter gezischt war, eine Handbreit neben ihrem Gesicht. Eine schreckliche Vorstellung, daß sie ihn um ein Haar verloren hätte. Sie sehnte sich danach, ihn in die Arme zu nehmen, einen Bannkreis um sie beide zu ziehen, der sie dagegen abschirmen würde, was gewesen war und was noch kam, und sei es nur für ein Weilchen.
    »Was … was’n nu?« T4b setzte sich auf. Die schwarzen Haare, die ihm wie ein Trauerschleier ins Gesicht hingen, ließen seine düstere Gestalt noch fremder erscheinen. »Geht’s wieder los?«
    »Nein.« Renie versuchte zu lächeln, aber gab es auf. »Noch nicht. Wir haben noch ein paar Stunden.«
    T4b strich sich die Haare zur Seite. Sein Gesicht hatte einen gehetzten, fiebrigen Ausdruck, der beim Kampf auf dem Dach des Hugolinusturms erstmals sichtbar geworden und seitdem nicht mehr ganz weggegangen war. »Sagt mal, wie wär’s, wenn wir hier den Off machen? Einfach … abschwirren?« Er brachte das Grinsen zustande, das Renie nicht gelungen war; als sie es sah, war sie eher froh darüber. »Yeah, yeah«, sagte er, »lach tot. Der Typ im Manstroidpanzer hat die Hosen voll. Aber … das ist mir schnurz, äi. Hätt ich nie gedacht, daß das so sein könnte. Nie hätt ich das gedacht …«
    Renie hätte ihn gern getröstet – Furcht und Niedergeschlagenheit umgaben ihn förmlich wie eine Wolke –, aber als sie sich vorbeugte, um ihm die Hand auf den Arm zu legen, zuckte er zurück. »Wir haben alle große Angst, und wir tun alles, was wir können, um nicht getötet zu werden«, sagte sie. »Du kannst natürlich machen, was du willst, Javier – unser Clübchen ist nicht die Armee, und du hast dich zu nichts verpflichtet. Aber ich glaube, wir sind mit einem ganz bestimmten Auftrag hier, und ich kann nicht weglaufen, solange noch die Chance besteht, diesen Auftrag zu erfüllen.«
    Liebe Güte, dachte sie. Ich hör mich an wie der Militärgeistliche.
    T4b schwieg eine Weile. Irgendwo rief eine Eule, eine gewöhnliche Eule wie in einer Naturdoku, aber erst als T4b wieder etwas sagte, merkte Renie, daß es seit Stunden das erste fremde Geräusch war, das sie hörten. Sie befanden sich am äußersten Rand des trojanischen Heerlagers, und obwohl sie nicht daran zweifelte, daß bei den anderen Trojanern ein ähnliches Heulen und Zähneklappern herrschte, von ihren griechischen Feinden ganz zu schweigen, war das nächste Lagerfeuer ihres Heeres einen weiten Steinwurf entfernt, so daß ein normal geführtes Gespräch nicht an Renies Ohren dringen konnte. Es war fast, als wären sie allein unter den flammenden Sternen.
    »Die werden morgen nicht abziehn, was?« sagte T4b langsam. »Dieser Hektor, der Typ will’s echt wissen, tick? Der ist einer von den tschi-sin Oberschrottern – der hört nicht auf, ehe du ihm die Leitung kappst. Und jetzt isser gigasatt verätzt, weil er den Stein abgekriegt hat und dann vor allen Leuten abgeschleppt worden ist.« Er schien über etwas nachzudenken, das ihm keine Ruhe ließ. »Also hat’s Megachancen, daß wir alle geext werden, hn?«
    Renie fiel keine diplomatische Antwort ein – sie wußte, daß sie an seiner Stelle nichts anderes als die Wahrheit würde hören wollen. »Es wird mindestens so schlimm werden wie heute. Und wir haben Glück gehabt.«
    »Dann will ich euch was sagen. Euch beiden.« Er stockte abermals. »Weil’s mich quält, irgendwie. Also falls ich hier ausgeknipst werde …«
    »Renie.« Es war !Xabbu , und er hatte eine seltsame, verhaltene Dringlichkeit in der Stimme, aber Renie spürte, daß T4b dabei war, sich etwas abzuringen.
    »Warte.«
    »Renie«, sagte er wieder, »da ist jemand in unserem Feuer.«
    Es dauerte einen Moment, bis seine Worte bei ihr ankamen. Sie drehte sich abrupt zu !Xabbu um und folgte dann seinem Blick, der auf die niedrigen Flammen gerichtet war. Sie konnte

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