Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
aber du wirst mit mir kommen müssen.« Er zupfte an seinem Schnurrbart. »Wir haben’s auch nicht weit – Yacoubian hat direkt hier in der Stadt einen Kommandoposten errichtet. Ich weiß nicht, ob das was mit dir zu tun hat. Ich hoffe nicht.« Erst jetzt schien er Christabel zu bemerken. »Hallo, Chrissy. Wie geht’s dir, Kleines?«
Sie gab keine Antwort. Sie wäre am liebsten weggelaufen, aber sie wußte, das wäre das allerverkehrteste. Sie konnte beinahe Herrn Sellars’ Stimme in ihrem Ohr hören: »Geheimnisse sind bedrückend, Christabel, aber wenn sie einen guten Grund haben, können sie das Wichtigste auf der Welt sein. Sei vorsichtig.«
Parkins wandte sich wieder ihrem Papi zu. Er hatte Herrn Ramsey ein paarmal angeblickt, aber offenbar beschlossen, so zu tun, als ob der andere Mann gar nicht da wäre. »Komm, wir liefern die Kleine bei ihrer Mutter ab und machen uns auf die Socken.«
Ihr Vater schüttelte den Kopf. »Kaylene … sie ist unterwegs … was besorgen. Wir warten hier auf sie. Es kann noch ’ne gute Stunde dauern – wir wollten uns gerade was zu essen bestellen.«
Parkins legte die Stirn in Falten. »Tja, dann werden wir sie wohl mitnehmen müssen. Ich hinterlaß hier im Restaurant eine Nummer, dann kann sie dort anrufen und erfahren, wo sie deine Tochter abholen kann.«
Selbst Christabel fiel auf, daß er »deine Tochter abholen« gesagt hatte, nicht »dich und deine Tochter abholen«. Sie bekam es richtig mit der Angst zu tun.
Ihr Vater rührte sich nicht und sagte kein Wort. Captain Parkins deutete mit einer Kopfbewegung zum Eingang des Restaurants, und jetzt erst bemerkte Christabel zwei Soldaten mit MP-Helmen, die draußen vor der Tür an der Scheibe standen. »Machen wir’s kurz und schmerzlos, Mike, okay?«
»Vielleicht sollte ich mich vorstellen«, meldete sich Herr Ramsey plötzlich zu Wort. »Ich heiße Decatur Ramsey, und ich bin Major Sorensens Anwalt.« Er richtete seine glänzenden Augen auf Christabels Papi, wie um ihn zu ermahnen, ja nichts Gegenteiliges zu sagen. »Ist dies eine Festnahme?«
»Das ist eine militärische Angelegenheit, Sir«, erwiderte Captain Parkins. Seine Stimme war höflich, aber er blickte verärgert. »Ich glaube kaum, daß sie in dein Ressort fällt, und …«
»Vielleicht entscheiden wir das, wenn wir eine genauere Vorstellung haben, worum es eigentlich geht, ja?« sagte Herr Ramsey. »Wenn es nur eine Routinesache ist, dann ist es sicher kein Problem, wenn ich mitkomme und auf … auf Mike warte. Ich kann auch bei Christabel bleiben, bis ihre Mutter zurückkommt. Aber falls dieses höchst ungewöhnliche Vorgehen doch einen polizeilichen Charakter hat, wird meine Anwesenheit, denke ich, für alle Beteiligten von Vorteil sein.« Er setzte sich etwas gerader hin. Seine Stimme war sehr hart geworden. »Ich will es noch ein bißchen deutlicher formulieren, Captain. Du hast MPs mit, und du ordnest an, daß Major Sorensen dich begleitet, obwohl er sich auf einer genehmigten Urlaubsreise befindet. Falls es sich um eine offizielle Verhaftung handelt, dann ist deine Zuständigkeit klar, und ich werde in dem gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen handeln. Falls dies jedoch keine offizielle Verhaftung ist und du dennoch vorhast, meinen Mandanten gegen seinen Willen abführen zu lassen, ohne daß ich ihn begleiten darf … nun, ich kenne eine erstaunliche Menge Leute bei der Polizei hier in Virginia, und ich weiß zum Beispiel auch, daß dort drüben in der Ecke ein paar Staatspolizisten bei Kaffee und Kuchen sitzen. Es wäre mir ein Vergnügen, sie zu einer Diskussion darüber hinzuzuziehen, wie legal es ist, einen Mann ohne ordentliche Vollmacht aus einem öffentlichen Restaurant hinauszuschleifen.«
Christabel verstand nicht, was gerade geschah, aber sie wollte mehr als alles in der Welt, daß es aufhörte. Aber nichts hörte auf. Ihr Papi und Captain Parkins und Herr Ramsey blieben einfach sitzen oder stehen, wie sie waren, und eine Weile, die ihr furchtbar lange vorkam, sagte keiner etwas.
Als Captain Parkins schließlich das Wort ergriff, klang er eher traurig als böse, obwohl auch reichlich Ärger in seiner Stimme schwang. »Na schön, Herr – wie war nochmal dein Name? Ramsey? Dann komm halt mit. Wir nehmen das kleine Mädchen auch mit und machen einen Familienausflug draus. Wie gesagt, ich weiß nicht mehr, als daß ein Offizier von höchstem Rang eine sofortige Unterhaltung mit diesem Mann über eine Frage der militärischen Sicherheit
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